Dem neuen Text gab Jelinek den Titel „Endsieg“. Das Wort ist schwer toxisch, gehörte zur Kriegssprache des deutschen Nationalsozialismus. In nur zwei Wochen haben das Team um Regisseur Falk Richter (der damals auch „Am Königsweg“ auf die Bühne gebracht hatte) und das Ensemble jetzt Jelineks „Endsieg“ erarbeitet.
Von „Am Königsweg“ zu „Endsieg“
Den ersten Trump damals hatte auch Elfriede Jelinek eher abgetan als durchgeknallten Polit-Clown. „Am Königsweg“ wurde in Falk Richters Uraufführung damals zum schrill aufgemöbelten Medien-Spektakel und das war leider auch ziemlich komisch. Der Befund jetzt ist fundamentaler und viel verzweifelter. Denn „das Volk“ kommt ins Spiel, die, die diesen Mann noch einmal in dieses wichtigste Amt der Welt gewählt haben, obwohl er in anderen Staaten als verurteilter Straftäter eigentlich längst unwählbar sein müsste. Trump wurde verurteilt – und danach gewählt.
In „Endsieg“ zeigt ihn Jelinek als gottgleichen Potentaten, immer wieder mit einem riesigen Kreuz über dem Kopf und wie auf einem Altar; im prunkvollen Königsmantel auch, als konkurriere er nun mit beispielsweise Frankreichs Ludwig dem Vierzehnten, dem Sonnenkönig. Und in all dem folgt ihm sein Volk, zumindest das Wahl-Volk, das die eigenen Sehnsüchte nach der heileren Welt in Songs artikuliert: „Country road, lead me home …“, … „freier, sicherer, gesünder“ wird es sein, des Königs auserwähltes Volk, durch und mit ihm, dem Erlöser. Und wer nicht will wie dieses Volk, wird ausgegrenzt und im dramatischsten Fall ausgewiesen. Und es könnte noch schlimmer kommen.
Diesmal das Volk im Zentrum
Oben in den Rängen und Logen des Theaters eröffnen drei Frauen die finstre Bilanz: Sandra Gerling und Josefine Israel tauchen bald ein in den Strom der Mitläufer und Mitläuferinnen, Julia Wieninger bleibt bis zum Schluss im Stück (und immer in schwarz) die Kassandra, die Skeptikerin, die Wahres spricht und nicht mehr gehört wird – gleichsam ein Ich der Autorin. Eine Weile aber riskieren Text und Inszenierung auch noch quälende Satiren. Wenn etwa das Publikum aufgefordert wird, jenen albernen Ententanz mitzumachen, den Trump im Wahlkampf zelebrierte: mit niedlich geballten Kinderfäustchen und ausgerechnet zur „YMCA“-Hymne, die einst in homosexuellen Kreisen extrem beliebt war. Den Tanz (zeigt ein Video) wird er wohl beim neuen Lieblingsberater Elon Musk gelernt haben. Und dennoch bleibt der zukünftige Präsident immer noch der Clown von damals – ein absolut lausiger Entertainer seiner selbst.
Selbst das (immer noch rätselhafte) Attentat mit dem Streifschuss am Ohr, aufgemotzt zur „Ich hab‘ ein Pflaster am Ohr!“-Kampagne, ist ja eine dieser Inszenierungen. All das zeichnen Falk Richter, das wie immer sehr gut beschäftigte Video-Team und zum Beispiel Mirco Kreibich in prunkvoller Herrscherrobe nach: dass noch alles da ist, was Trump vor acht Jahren wie ein greinendes Kind wirken ließ, das mit Schäufelchen und Förmchen herrschen will auf dem Spielplatz. Das alles lebt weiter in der Trump-Inszenierung von heute. Doch das Volk, das ihm folgt, ist ein anderes.
Vorläufige Einschätzung
Zum Ende hin sitzt das Ensemble komplett (und wie beim letzten Abendmahl Christi) am langen Tisch und kann nurmehr verzweifelt „ja“ sagen zur Vision vom Untergang von Demokratie und Zivilisation. Ob das ein bedeutender Jelinek-Text ist? Keine Ahnung. Wer die Autorin nie sonderlich mochte, wird ein beträchtliches Maß an Ungenauigkeiten bemerken; hier wird zuweilen auch haltlos deliriert. Aber Falk Richters Team und das Ensemble haben in kürzester Frist die Stärken des Textes kenntlich gemacht.
Aber niemand soll jetzt bitte denken, es ginge immer so schnell im Theater. Mit Jelineks Texten geht das, sonst aber fast nie. Sie pflegt ja offensiv das „Prinzip Regenwurm“: Jeder und jede, das hat sie immer wieder gesagt, kann damit umgehen, wie‘s gerade passt. Dass das Hamburger Schauspielhaus mit Falk Richter auf diesen Schnellschuss gesetzt hat, „passt“ unbedingt und ist aller Theater-Ehren wert.