Ein „Nathan“ ohne Nathan
Denn mit Hilfe von Musikeinspielungen, chorischem Sprechen und Sprachloops, tänzerischem Spiel und Lichtstimmungen im cleanen Kasten entsteht in den knapp zwei Stunden tatsächlich ein Denkraum zu Monotheismus und Patriarchat. Anfangs ist das wahre Geschlecht der drei Darstellerinnen kaum zu erkennen, zunehmend ironisieren sie das „starke Geschlecht“. Die Trinität der Performerinnen findet einen sehens- und hörenswerten Weg der szenischen Reflexion. Die ehemalige Hauptfigur Nathan muss hier gar nicht mehr auftauchen.
Utopie statt Apokalypse
Und dann – vielleicht an der Stelle, an der der Nathan in die Luft gejagt würde – wird die hintere weiße Wand abgebaut, öffnet sich der Blick auf eine schwarze Rückwand. Statt die humorlose Katastrophe zu entwickeln, wandelt sich die Inszenierung zu einem utopischen Versuch der Rettung durch entspanntes Nachdenken. Wie Engel tänzeln die Drei nun über die Bühne, schütten Wolkenknäule auf die Bühne, bauen daraus einen Schneemann-Gott, liegen schläfrig und zugleich inspiriert am Boden und spielen sich geistige Bälle zu. Mit Worten aus Valère Novarinas „311 Gottesdefinitionen“ von Parmenides, über Bibel, Koran, Leibniz, Nietzschne, Freud bis zu Udo Lindenberg umspielen sie die Suche nach dem wahren Gott – oder was hinter dieser Suche stecken könnte. Damit ist diese Performance auch nah an Lessings Ringparabel, von der zuvor in einer historischen Schauspielaufnahme Auszüge zu hören waren. Die Inszenierung ist eine so souveräne wie entspannte Darstellung menschlicher und männlicher Verkrampfungen.