Gekonnt parallelisiert Gieselmann diese Eskalation. Gutmenschen tragen an Round-Table-Abenden die üblichen Reflexe vor, rufen nach „Bürgerwehr, Polizei“ und schimpfen: „Wir müssen diesen Herdmanns den Garaus machen, man muss sie verweisen, rauswerfen, feuern, kaputtmachen, klein hacken, man muss sie töten!“ Während die so Attackierten daheim mit dem Chemiebaukasten (ein Geschenk des Streetworkers!) bombig experimentieren. Weil die nett-freche Komödie immer wieder derart zugespitzt wird, funktioniert auch die Wendung in den Integrationskitsch nach der Pause mit der Simulation eines Weihnachtsgottesdienstes. Georgel, weihevoll verhallte Worte der Liturgie, volle drei Strophen „Es ist ein Ros’ entsprungen“ werden mit den Zuschauern gesungen. Und dann das Krippenspiel der Herdmanns – in Anlehnung an Shakespeares „Sommernachtstraum“-Finale. Dieser theatrale Balanceakt, wenn die Handwerker im Tempel der Mächtigen ihre Version der Geschichte von Pyramus und Thisbe darbieten: lustig, weil schlecht gespielt, aber auch aller Achtung wert. Für die Liebe zum Theaterspiel und die Leidenschaft, sich ausdrücken zu wollen. Die Herdmanns erzählen mit dem Drama der Heiligen Familie von dem ihrer unheiligen Familie. Tochter Eugenia identifiziert sich vollends mit der Maria-Rolle, kämpft um die Rechte des Neugeborenen, vor allem um das Recht, Kind sein zu dürfen. Das wurde ihr als Ersatzmutter/Herdfrau bisher verwehrt. So bekommt die Krippenspielleiterin für ihren Dokutheateransatz Recht: „Meine Besetzung ist mein Regiekonzept, weil diese Kinder einen Sinn für Gerechtigkeit haben.“ Es muss also nicht immer die Menschwerdung Gottes sein, auch die der Comedy-Klischees vom asozialen Dasein geben eine prima Weihnachtsgeschichte ab. Bedrohlich – rührend: sehr unterhaltsam.