Schauspielerin Johanna Bantzer gibt den Ausbeuter Sutter

Diskurs-Dunst statt Goldrausch

Alexander Eisenach: Der Kaiser von Kalifornien

Theater:Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Premiere:27.08.2020 (UA)Regie:Alexander Eisenach

Auf der Bühne dreht sich ein gigantisches Mühlrad, Lebensrad, Hamsterrad, Rad der Geschichte, wie es später beschworen wird. Halb in den Boden eingelassen walzt es seine Kreise, inmitten des stählernen Gerippes einer Festung. Es ist das Reich des Schweizer Kaufmanns Johann August Sutter, der im 19. Jahrhundert vor einem Schuldenberg nach Amerika flüchtet, in Kalifornien eine Privatkolonie namens Neu-Helvetien gründet und zum mächtigen Großgrundbesitzer wird. Bis einer seiner Arbeiter auf dem Grundstück Gold findet.

Sarah Franke reißt in schwarzer Cowboy-Montur mit Spitzhacke ein Loch in den Bühnenboden und der Goldrausch, der Sutters Ländereien komplett zerstören wird, beginnt. Ein bildstarker Auftakt, wie Franke hier in Sutters Reich einfällt. Gerade erst hatte man den Schweizer Eroberer kleine Weinpflanzen in die Erde stecken sehen, Arbeiter trugen Getreidesäcke zur Mühle, Brot wurde gebacken und Sutter am überreichen Garbentisch väterlich verehrt – bis schließlich auch Pistolen auf dem Tisch landeten.

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Daniel Wollenzins Drehbühne rotiert, düstere Percussion- und E-Gitarren-Klänge werden von Sven Michelson und Niklas Kraft aus dem Fort heraus angeschlagen und auf Gaze-Vorhängen Live-Videos, in alter Volksbühnen-Tradition, projiziert. Stilisierte schwarzweiße Western-Bilder sind das, sie wollen Whiskey und Männerschweiß atmen. Anders als Luis Trenker, der Sutter in seinem Western „Der Kaiser von Kalifornien“ als rechtschaffene Führerfigur verklärte und dafür auch von den Nationalsozialisten beklatscht wurde, zeigt Johanna Bantzer den Kolonialisten als Ausbeuter von Sklaven und Ureinwohnern, am Ende gar als irren Diktator.

Man hätte also eine elektrisierende Geschichte mit diesem satten Stoff und seinen Figuren erzählen können, über Kolonialismus und Finanzkapitalismus, von damals bis ins heutige Silicon Valley. Doch Alexander Eisenach inszeniert nach postdramatischer Manier mit Szenen-Collagen, tausend Gedankenfäden, fluiden Figuren, die in ihren Cowboy-Hüten mal komisch herum-kalauern, in religiöse Sphären eintauchen oder Vorlesungen in Wirtschaftsgeschichte halten. Im Programmheft spricht Eisenach sich für ein rauschhaftes Erzählen aus – doch es ist weniger rauschhaft als verquast und redundant.

Der Abend möchte durchaus die großen Fragen stellen, danach, was Glück, was Freiheit bedeuten. Wofür steht das Verlangen nach Gold in uns – für die Suche nach Sicherheit, nach Heimat? Oder für die Sehnsucht nach Freiheit, nach Revolution? Danach, mit genügend Gold in den Händen die Welt neu zu ordnen? Doch Eisenach, das zeigte sich zuletzt am Berliner Ensemble, wo er Thomas Manns „Felix Krull“ als palaverndes Meta-Theater adaptierte, ist als Autor eine Fehlbesetzung. Seine papiernen Texte kommen über Seminararbeitsstil zur Finanzgeschichte nicht hinaus. Zudem fehlt eine gute dramaturgische Position, die Licht ins Wirrwarr bringt und die vor allem: kürzt! Trotz aller düster-schöner Bilder, die Eisenach erschafft: Die unzähligen zähen Monologe drücken einen bei diesem viel zu langen Zweieinhalbstünder dann doch bleischwer in den Sessel.