Mit prachtvoller Kondition geht es kaum um ein zärtliches Anschmiegen an die Oboensoli der zugespielten Barockmusiken von Händel, Vivaldi, Johann Sebastian Bach, Cimarosa, Johann Friedrich Meister und Alessandro Marcello, sondern um das Füllen des dunklen Raums durch fokussierende Aktionen. Berührungen gibt es trotz vorheriger Testungen nur selten und vor allem in den Duos von Mihael Belilov, Antoine Bertran, Admir Kolbuçaj und Giorgio Perego. Keine Ambitionen zum Alpha-Weibchen hat Anastasia Gavrilenkova und begibt sich – von Stefan Stanisic wie die Männer in fast identische helle Trikots gesteckt – in eine abwartende, fast scheue Haltung. Nur am Schluss gerät die Aufstellung fast ‚klassisch‘ und schwenkt dann doch nicht ins tänzerische Balzritual ein.
Gonzalo Galguera, der vor kurzem mit „Lo Schiaccianoci d’oro“ („Der goldene Nussknacker“) und dem „Premio delle Eccellenze della Danza“ gleich zwei der wichtigsten italienischen Tanzpreise erhielt, schickt das Quintett in ein funktional gestaltetes Eden von fast calvinistischer Nüchternheit. Seine den Tänzer*innen mit beträchtlichen technischen Herausforderungen zusetzenden Anforderungen wirken nie ziellos, einige Pas de deux reichen bis in den nächsten musikalischen Satz. So vermeidet Galguera den Eindruck, dass diese ‚Ballett-Miniaturen‘ wie die Suite von isoliert erarbeiteten Szenen wirken. In den Figuren erkennt man Selbstsicherheit und Selbstvertrauen. „Eden One“ wirkt also mehr wie die Darstellung eines sehr differenzierten Innehaltens denn als Flucht aus Orientierungs- und Tatlosigkeit.
Die ernsthaft gearbeitete und keineswegs verzweifelte Beschäftigungsration ist trotz der Inspiration durch Texte von Hilde Domin, Teresa de Ávila, Dulce María Loynaz und María Zambrano eher polyamourös als monogam. Die fast spartanisch wirkende Symmetrie der Körper zueinander wird durch die Schwarz-Weiß-Kontraste der Bühne verstärkt. Möglicherweise liegt das aber auch daran, dass der Glaube an eine sanfte Zukunft momentan in weite Ferne rückt. Trotzdem reichte diese knappe halbe Stunde, um den Heißhunger des digitalen Publikums nach echtem Theater und Tanz machtvoll zu steigern.