Foto: Sarah Maria Grünig provoziert als Insekt Thomas Prazak. © Jan-Pieter Fuhr
Text:Anne Fritsch, am 23. Februar 2025
André Bücker inszeniert am Staatstheater Augsburg im Rahmen des Brechtfestivals die Uraufführung von Dietmar Daths „Deine Arbeit hasst dich, weil sie dich nicht braucht“. Das Stück über die Machtergreifung von Tech-Konzernen ist mehr als aktuell, der Abend bleibt dennoch seltsam sperrig.
Dass die Technisierung nicht das gängige Verständnis von Arbeit, sondern auch das Konzept Demokratie aushöhlen kann, ist gerade live zu beobachten. An der Seite von Donald Trump hat sich der Tech-Gigant Elon Musk daran gemacht, an einer neuen Form der Diktatur zu feilen. Das Stück, das nun im Rahmen des Brechtfestivals am Vorabend der Bundestagswahl vom Staatstheater Augsburg uraufgeführt wurde, ist also thematisch auf der Höhe der Zeit: Der Autor Dietmar Dath entwirft in „Deine Arbeit hasst dich, weil sie dich nicht braucht“ eine Gesellschaft, in der die Menschheit sich zunehmend der Künstlichen Intelligenz unterwirft und dafür soziale und demokratische Grundwerte über Bord wirft.
Optimierung allerorten
Das fängt an beim Aufzug, der durch optimierte Auslastungsprogramme im Grunde nicht mehr benutzbar ist. Und hört auf beim eigenen Denken, das infiltriert wird von einem KI-gefilterten Informationsstrom. Als das Publikum die Brechtbühne im Gaswerk betritt, lauert in der hinteren Ecke bereits die eigentliche Hauptfigur des Abends: ein ausgestorbenes Insekt. Sarah Maria Grünig steckt in einem schwarzen Fliegen-Ameisen-Irgendwas-Kostüm mit langen spitzen Armen, Fühlern und Mini-Beamern im Bauch. Damit projiziert sie all den Social-Media-Wahnsinn samt Trump und Co an die Wände. Sie ist so etwas wie die aus den Fugen geratene Technisierung, Verkörperung einer Künstlichen Intelligenz, die nach und nach die Kontrolle übernimmt. Zischend erklärt sie den Menschen die Regeln der neuen Welt, säubert ihre Festplatten von unnützem Ballast und schaltet sie gleich. Das Kostüm, das Imme Kachel entworfen hat, ist die Wucht, und Sarah Maria Grünig füllt es mit unheimlichem Leben.
Für die Inszenierung von André Bücker hat der Bühnenbildner Robert Schweer ein Gebilde aus nierenförmigen Plattformen entworfen, die wie amorphe Speicherplatten wirken und durch Treppen miteinander verbunden sind. Eine Art Cloud ohne Kontakt zur realen Welt. Im Hintergrund wie ein Relikt aus einer weniger optimierten Zeit der Aufzugschacht. Eine utopische oder vielleicht auch dystopische Arbeitswelt, die tatsächlich keine Menschen mehr zu brauchen scheint, zumindest lädt sie sie nicht eben ein. Wer hier noch existieren will, muss sich seinen Platz immer neu erkämpfen, sich optimieren und anpassen. Niemand ist unersetzbar.
Ein Panoptikum der Gegenwart
Dath hat ein Panoptikum der Gegenwart geschaffen, das er ziemlich krampfhaft in dieser unschönen neuen Arbeitswelt aufeinander prallen lässt. Das Personal reicht von der „aus einem östlichen Kriegsgebiet geflohenen Informatik-Hilfskraft“ über das Programmier-Genie und die esoterische ehemalige Lehrerin bis zum faschistischen Philosophen und einem Bauunternehmer. Es geht um Macht und Verteilung, und damit fügt sich das Ganze thematisch hervorragend ins Brechtfestival. Irgendwann mischt sich Bertolt himself unter dieses Volk und verkleidet sich auch noch als Sigmund Freud. Dazu kommen „die Leute“, ein Chor des Volks, der sich weder als „Masse“ noch als „Klasse“ definiert, sondern als die gesammelte Individualität, die hier gehörig auf der Strecke bleibt. In Augsburg besteht er aus 15 Spieler:innen, die denen auf der Bühne – denen im Licht, wie Brecht sagen würde – ins Gewissen reden und ihnen ihre Thesen um die Ohren hauen: „Denken ist ein Muskel, du hast ihn dir verstaucht“, skandieren sie, oder „Sauf dich dumm mit Wissen, bis der Kater faucht“. Sie sind die, die im Dunkeln bleiben, die man nicht sieht. Brücker greift diesen Gedanken Brechts auf, wenn er den Chor unsichtbar aus dem Off ertönen lässt. Ein bisschen schade ist es dennoch, dass er nur einmal in persona erscheinen darf.
Wie diese Inszenierung überhaupt wenig Sinnlichkeit zu bieten hat, eine ziemliche Kopfgeburt und ziemlich sperrig bleibt. „In den Vereinzelungen und Vernetzungen von heute“ scheint Dath dieses „alles an einem Stück“, das Brecht noch möglich war, undenkbar. „Es geht bloß: Stückwerk“, schreibt er im Programmheft. Eine überwältigende Vielfalt, ein Nebeneinander an Thesen, Temperamenten, Titeln und Referenzen. „Eine Übung in digitalem Dämonenfaschismus“ nennt Dath seinen Text im Untertitel. Er will ohne Frage viel. Möglicherweise zu viel für einen Abend.