Foto: Lohengrin (Ales Briscein) und sein Schwan (Claudia Czyz) in Erl. © Tom Benz
Text:Jörn Florian Fuchs, am 10. Juli 2012
Mittlerweile stehen die Tiroler Festspiele im 15.Jahr, gerade wird ein so genanntes Winterhaus in unmittelbarer Nähe des berühmten Passionsspielhauses gebaut – letzteres besitzt keine Heizung oder Klimaanlage und steht somit nur im Sommer zur Verfügung. Ein (dringend benötigtes) Parkhaus mit Dachbegrünung entsteht, ab Ende Dezember gibt es dann ein gänzlich neues Festival mit Belcanto, Bach, Händel, Verdi, Mozart.
Das neue Haus besitzt nicht nur den weltgrößten Orchestergraben (160m²!) und eine riesige Bühne (450m²), sondern auch viel Technik. Es wird sich zeigen, ob Gustav Kuhn und seine Mannschaft die neuen Möglichkeiten zu nutzen wissen. Der Erler Reiz lag bisher ja wesentlich in der Diskrepanz von gewaltigen (Wagner-)Opern und notgedrungen sparsamen Inszenierungen. Beim Ring klappte das wunderbar, auch beim Parsifal und – mit geringen Abstrichen – bei Meistersingern, Tannhäuser und Fliegendem Holländer. Ein Ausrutscher war der vor ein paar Jahren erstmals gezeigte Tristan, der auch 2012 auf dem Spielplan steht. Mit Lohengrin schließt sich heuer nun der Wagner-Zyklus und leider kommt hier das ungemein charmante Erler Gesamtkunstwerksunternehmen doch ein wenig an die Grenze.
Das liegt nicht an den Musikern, wie gewohnt überzeugt das von Gustav Kuhn klangschön und formbewusst geleitete Festspielorchester. Die von Marco Medved einstudierte Chorakademie (unter Mitwirkung der Capella Minsk) macht ihre Sache auch weitgehend gut. Doch leider sind zwei wesentliche Partien dieser Lohengrin-Premiere zu schwach besetzt. Mona Somm klingt als sinistre Ortrud wirklich grenzwertig, Andrea Silvestrelli singt König Heinrich auf den Trümmern seines ehemals profunden Basses. Auf der Habenseite steht das hohe Paar: Ales Brisceins Lohengrin, mit hellem, klaren Tenor (der ein bisschen an Klaus Florian Vogt erinnert) und Susanne Geb als lyrisch zarte Elsa. Exzellent auch Michael Kupfers Heerrufer und Oskar Hillebrandts Gestaltung des Telramund. Claudia Czyz gibt den Schwan, ja richtig, das immer schwierig zu inszenierende Tier erscheint hier als (schwarz gekleidete) Tänzerin. Sie hat später ein blondes Kind im Schlepptau, das allerdings nicht neuer Herrscher von Brabant wird, sondern der Schwan selbst zieht sich was hübsches Goldenes an und übernimmt (vielleicht?) die Macht. Ein unklares Ende. Vorher bewegen sich immer wieder langsam ein paar schwarze Kugeln am Bühnenhimmel, die Protagonisten agieren ähnlich statisch-statuarisch und tragen sehr bunte Ethno-Kleidung.
Einige Dutzend Erler Kinder mimen recht hübsch einen Haufen Hochzeitspaare. Das Problem dieser Premiere liegt im zu oratorischen Auftreten der Chöre, so wird der Abend streckenweise zu einem wirklichen Passionsspiel – man braucht viel Ausdauer und gutes Sitzfleisch.