Verglichen mit Helmut Oehrings Düsseldorfer „SehnsuchtsMeer“, das ja über einen etwas seichten Holländer-Abklatsch nicht hinaus kam, sind Eggerts musikalischer Beitrag zu Fabres „Tragedy of a friendship“, wie auch das Gesamtresultat die ohne Zweifel originellere und radikalere Kunstanstrengung. Natürlich auch, was ihr Verstörungspotenzial betrifft. Fabre bedient exzessiv auch die Provokations-Erwartungen. Körperbetont, bilderstark, und grenzüberschreitend ist das eine, eine exzessive Vaginafixierung das andere. Was in Düsseldorf möglicherweise zu Notarzteinsätzen führen würde und in Antwerpen lediglich einige Zuschauer aus der pausenlosen, über dreistündigen Vorstellung vertrieb, wird vom Publikum, wenn es besonders dicke kommt, eher mit einem Lachen entschärft. Wobei ohnehin Fabres Fan-Gemeinde reichlich vertreten war. Außerdem übertrug sich natürlich auch der Chorgeist der Performer und Sänger, den Fabre in drei Monaten Intensivtraining (wie vor ihm vielleicht nur Einar Schleef) installiert hat, aufs Publikum.
Dass Librettist Stefan Hertmans die Person des Komponisten und seines Freundfeines Friedrich Nietzsche als dramaturgische Klammer eingeführt hat, führt mitunter zu erhellenden Schlaglichtern auf dessen Biographie und Obsessionen. Zu einem dramaturgisch überzeugenden, vorantreibenden und ordnenden Hauptkonflikt reicht dieses verbale Pas de deux allerdings nicht. Nietzsche, so scheint es, liefert vor allem den Vorwand für einen radikalen Gestus. Eine kleine Spielszene, in der die beiden Egomanen laut ihren Namen rufen und auf das Echo der Menge warten, behandelt diese titelgebende Beziehung im Grunde erschöpfend. Während der Tonsetzer das erwartete Echo bekommt, erntet der dann vorwiegend mit einer Schraubzwinge am Kopf auftretende Philosoph ein dröhnendes Nichts. Was ja auch wieder passt.
Neben den Kindergeburtstagsqualitäten so personalisierter Spielszenen gelingen Fabre aber auch schön pointierende Bildparaphrasen auf einzelne Werke. Wie die à la Magritte von der Decke hängenden Fische als Hintergrund für die beiden Meeropern Holländer und Tristan. Im ersten torkeln Matrosen wie auf hoher See über die Bühne, während im zweiten Fall Tristan und Isolde an einer Kleiderstange hängen und sich bei der a capella riskierten, herabsinkenden Nacht der Liebe aufeinander zu bewegen. Das sind Bilder, die mit ihrer Ruhe nachwirken. Andere können den Selbstzweck oder zumindest Selbsterfahrungs-Verdacht nicht so ganz entkräften. Besonders, wenn Fabre den Über-Bieito gibt, mit Fleisch aus dem Rücken schneiden und essen, oder dem Schwert durch die Scheide (der Frau versteht sich) ziehen zum Mein lieber Schwan. Wenn mit dem „Parsifal“ das Ende der Musik postuliert wird, kriechen Nietzsche und Wagner am Boden. Der Platz an der Rampe ist der Gipfel, den sie erklimmen und von dem aus sie rufen. Das Echo antwortet auch. Vor Ort vom Rang. In der Vorstellung des Gesamtkunstwerkers Fabre vielleicht aus der Ewigkeit? Das letzte Wort haben kreischende Vögel. Sind es womöglich Wotans Raben?