Foto: Julia Wieninger in "Die Troerinnen" am Schauspiel Köln © Klaus Lefebvre
Text:Bettina Weber, am 14. Januar 2013
Troja liegt in Schutt und Asche. Und so blickt der Zuschauer auf ein Feld aus grauem Staub. Trojas Frauen liegen darauf, in Decken gehüllt. Um das Ausmaß ihres Leids dreht sich das ganze Spiel. Sie sind bereits als Sklavinnen verlost. Die Schrecken des Krieges hat Karin Beier zum Thema ihrer letzten Inszenierung am Schauspiel Köln gemacht, in „Die Troerinnen“ von Euripides in der Adaption Jean-Paul Sartres.
Das Stück zeichnet ein dunkles Bild des Grauens und der Not. Überlebt zu haben bedeutet hier einzig und allein ein Dasein im Elend, eine Bürde, so schwer, dass sie kaum zu tragen ist. Während zunächst vor allem die Trojaner als barbarisches asiatisches Volk dargestellt werden, wird schnell deutlich, dass die Besatzer, die Europa vertretenden Griechen, als Mörder und Vergewaltiger ihres Zeichens gleichsam grausam und barbarisch sind. Und obwohl die Vergewaltigungsszene nur rezitiert wird, spiegelt sie eindringlich das Geschehene wider. Und natürlich ist auch die Frage nach der Schuld Teil des Dramas. Doch egal, ob es Hekuba war, die Paris, den Entführer der Helena gebar, oder die Götter, welche die Trojaner im Stich ließen, oder Helena selbst – die ausgesprochenen Schuldzuweisungen ändern nichts: Die Toten stehen nicht mehr auf. Und so klagen alle ihr Leid, chorisch oder einsam für sich allein dastehend.
Es mutet durchaus bedrohlich an, wenn Hekuba und die Ihren im Gleichgesang hadern, brüllen und mit ausschweifender körperlicher Gestik beten, vor allem, wenn sie von den im Hintergund der Bühne agierenden Musikern unterstützt oder vom personalstarken großen Klagechor (zwischenzeitlich vom Rücken der Zuschauertribüne her einstimmend: der koreanische Frauenchor Köln) begleitet werden. Doch sind es eher die Szenen der einzelnen Figuren, die wirklich anrühren: Julia Wieninger, die Hekuba, welche darum fleht, dass man ihr die getöteten Kinder wiedergebe, und Lina Beckmann als Andromache, Mutter des einzigen männlichen Erben Trojas, die zitternd ihren Sohn opfern muss, machen die Ohnmacht beinahe räumlich greifbar. In ihrer Verzweiflung reißen sich die Frauen die Kleidung vom Leibe, doch das ist gar nicht nötig, um ihre Schutzlosigkeit zu zeigen – diese wird bereits ausreichend demonstriert.
Talthybios verkündet den Frauen ihr Schicksal hier nicht persönlich mit einer Schar Soldaten im Rücken, sondern lässt seine Befehle überwiegend im kaltherzigen Roboterton durch ein großes Mikrophon erklingen, das bedrohlich über der Bühnenmitte hängt. So stark die Wirkung dieser Darstellung, die Männer – Poseidon (Robert Dölle), Talthybios (Nikolaus Benda) und Menelaos (Yorck Dippe) – spielen hier bloß Nebenrollen, auf die großen Frauen und ihr großes Leid soll man schauen. Wie willkürlich sie den Eroberern ausgeliefert sind, wird am überzeugendsten deutlich, als die Überlegungen über den Zeitpunkt der Steinigung Helenas zur Casting-Show werden: Lassen wir doch den Zuschauer entscheiden, wie es mit der „Kandidatin“ weitergeht.
Karin Beier hat das hohle Lied des Leids trefflich beschrieben. Der Takt der Szenen ist stimmig und die Inszenierung fokussiert die Figuren. Entsprechend reduziert sind Bühnenbild (Thomas Dreissigacker) und Kostüme (Maria Roers). Ein Krieg hinterlässt seine Opfer. Eine Diagnose, die nicht neu ist, und die an diesem Abend dennoch bewegt.