Foto: "Der Thaiboxer" in Mannheim. David Benito Garcia, Cédric Pintarelli, Sebastian Brummer, Simone Oswald, Uwe Topmann © Christian Kleiner
Text:Björn Hayer, am 29. April 2014
Auch Boxer haben einen weichen Kern. In seinem 2012 mit dem Jugendtheaterpreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichneten Drama „Der Thaiboxer“ bricht der niederländische Autor Ad de Bont deren harte Schalen auf und offenbart die Verletzlichkeiten der ansonsten hartgesottenen Faustathleten. Bei der deutschsprachigen Erstaufführung von Andrea Gronemeyer im Mannheimer Studio Werkhaus wird der Boxring dabei zur Arena des Lebens: Während Elja, impulsiv gespielt von Simone Oswald, in mehreren Stelldicheins nach der großen Liebe sucht, ringt hingegen ihr Bruder Hank (Uwe Topmann) verzweifelt um deren Nähe. Der Sport kompensiert Wut und Melancholie, doch wahre Erfüllung bietet er keine. Er ist ein Durchgangsstadium, ein Sich-Offenbaren und Modus, das Dasein zumindest kurzzeitig zu bewältigen. Wer auf der minimalistischen Bühne, die einzig aus einem erhöhten Kampfpodest und situativ erscheinenden Sandsäcken besteht, seine Energie herausprügelt, ist stets auf der Suche. So auch die Brüder Boris (Sebastian Brummer) und Tom (David Benito Garcia). Nachdem sie Zeit ihres Lebens nichts voneinander wissen, bringt der finale Fight beide zueinander. Es ist der Moment der lange erwarteten Erkenntnis, der Aufbrüche und stillen Selbstfindungen. Manch eine Lebenslüge und innerer Konflikt lösen sich auf, Konflikte, die Figuren kommen schließlich zu sich.
Nicht nur Dank der indes durch monatelanges Boxtraining zu wahren Ringmeistern avancierten Schauspieler überzeugt dieses Stück als inwendige Seelenschau. Insbesondere auch durch Andrea Gronemeyers feines Gespür für die leisen Töne abseits der immer wieder harten Bandagen unter den Ertüchtigungskünstlern gelingt es, die poetischen Intermezzi zwischen den Dialogen einzufangen. Setzt de Bonts hellsichtiger Text zumeist auf die schnelle Rede, lässt er ebenso Raum zur Ruhe. Die Regie nutzt diesen zur Charakterschärfung. Dies sind die großen Augenblicke der Inszenierung: Unterlegt mit zumeist sphärischen Tönen, erzählen die Darsteller bei abgedunkeltem Licht von ihren Sehnsüchten und Hoffnungen. Parabelhaft wie sentimental berichten sie von ihren Fantasien und ihrer surreal arrangierten Hoffnung auf Geborgenheit und Heimat – eine kleine Kostbarkeit des psychologischen Theaters!