Zeit erleben, Zeit ertragen, Zeit nutzen – von dieser Trias erzählt der Tanzabend „Speed“ am Nationaltheater Mannheim auf fulminante Weise. Gleich zwei Inszenierungen führen uns in die großen und kleinen Zeitspannen ein. Insbesondere letztere, bezogen auf das kurze, menschliche Leben, birgt mitunter so groteske Momente: Während ein Duo um seine eigene Mitte ringt, ziehen im Hintergrund fast nackte Männer mit Aktenkoffern vor ihrem Geschlecht und Stöckelschuhen sowie ein Mensch in Pudeloutfit vorüber. Dass Stephan Thoss‘ Uraufführung „Short Play“ jedoch nicht nur mit skurrilen, apart-rätselhaften Bildern aufwartet, sondern gleichsam auch zarte Szenen (mitunter zu der wunderbar sphärischen Musik Nils Frahms) findet, lässt den ersten Teil des Abends zu einem Wechselbad der Gefühle werden.
In Zweiertänzen ergehen sich die Performerinnen und Performer (u.a. Saori Ando, Dora Stepusin und Emma Kate Tilson) zu Klavierstücken im Suchen und Finden eines gemeinsamen körperlichen Ausdrucks, in Gruppenformationen loten sie hingegen Sinn und Fluch der synchronen Bewegung aus – ganz so, als könnte ein Rhythmus in der Zeit nur gemeinsam gefunden werden. Dafür sprechen im Übrigen auch die vom Choreografen selbst entworfenen Kostüme. Trägt etwa ein Mann ein pinkfarbenes Kleid und eine Frau eine Perücke in derselben Farbe, so ergänzen sich beide, die vielleicht ein Liebespaar andeuten, jeweils um ein fehlendes Element. Nicht nur die gemeinsame Dynamik der Körper basiert, so vermutlich die Aussage, auf Abhängigkeit. Es ist wiederum auch die Zeit, die nie nur für sich existiert. Sie fordert stets Raum, Wahrnehmung und Tat ein. Was die Darbietung aus einzelnen, nur lose narrativ miteinander verbundenen Szenen dabei eint, ist eine ausbleibende Reflexion über die Vergänglichkeit. Im Gegenteil: Wir haben es mit einer dionysischen Feier des Lebens zu tun, die immer wieder im hellsten Licht und reflektiert in golden anmutenden Ventilatoren an der hinteren Bühnenwand erstrahlt.