Foto: "Der Reigen" in Eggenfelden: Die Ehefrau (Carolin Waltsgott) sucht beim Tänzer (Markus Krenek) die (sexuelle) Erfüllung, er sucht eine Beziehung. © Sebastian Hoffmann
Text:Christian Muggenthaler, am 18. November 2018
Schnitzler in der Schneekugelvariante: Im Theater an der Rott haben Regisseur und Intendant Uwe Lohr und der musikalische Leiter Dean Wilmington haben aus dem „Reigen“ des Wiener Autors ein Musical gemacht, das seine Dimension vor allem im Charme sucht. Zwar geht es auch hier um den erotischen Paartanz einander abwechselnder Liebesduos, aber es werden weitaus weniger die inneren Abgründe der Figuren gesucht als deren ansprechende Verkörperungen. Nicht streng und spröde wirkt die scheiternde Suche nach dem Ich im Anderen, sondern vital und sinnlich.
Arthur Schnitzler liefert die Motive und Paarungen, die Figuren in der Eggenfeldener Musical-Version gehen mehr nach außen als nach innen. Man hat dort den Titel wörtlich genommen und den Reigen in ein Sing- und Tanzspiel zurückverwandelt. Und ganz offensichtlich auch geschaut, es dem Publikum so angenehm wie möglich zu präsentieren. Schon allein das Interieur in der Studiobühne, das Gerrit von Mettigen gebaut hat, ist ein Salon geworden mit diversen Bühnen und Spielflächen ganz in gründerzeitlicher Kaffeehaus-Anmutung; das Dekor, das Rundherum sind wichtig in dieser Uraufführung, es geht ja auch ums Kreisen und Kreiseln. Das Publikum sitzt an runden Tischlein, die beiden Spieler agieren durch es hindurch, hinter, vor, zwischen den Leuten.
Die Musik, komponiert und getextet vom musikalischen Leiter, widmet sich weit weniger den wunden Untiefen der Personen, die sich suchen, kurz finden, schnell verlieren, sondern ebenfalls mehr der Anmut. Sie schrägt nichts an, sondern nutzt, ganz konzentriert auf Wilmington am Piano, den angenehmen Melodiefluss zwischen Bar-Jazz-Atmosphäre und Pop-Kunstlied. So singen – und tanzen – sich die Darsteller durch einen 75-minütigen Abend, der aber textlich nie in irgendwelche Sentimentalitäten abgleitet, sondern plötzlich und überraschend doch immer wieder hier und dort Kellertüren aufmacht zur seelischen Unterwelt der Protagonisten.
Immer dann nämlich, wenn es leiser wird und die Introspektion beginnt, die Paare sich nicht mehr zueinander hinbewegen oder in – von Daniel Morales Pérez temperamentvoll durchchoreografierten – Liebesdingen taumeln, bricht die Einsamkeit über sie herein: Eine große Dosis Melancholie umweht das Geschehen. Wilmington singt fast refrainhaft „What’s missing“ und die Figuren sind auf sich selbst zurückgeworfen und auf jene Muster, die das Misslingen des dauerhaften Miteinanders mit sich bringt und die sich durch ein Gegenüber ja eh nie auflösen lassen.
Carolin Waltsgott und Markus Krenek sind diese beiden Musterlieferanten. Die Figuren, die sie zeigen, sind von besagtem Charme durchsetzt, unterscheiden sich zwar nicht so präzise und scharf figuriert voneinander wie in mancher Schauspielversion, divergieren dennoch in Temperament und Status zueinander sinnfällig. Das Liebesduo kann manchmal sehr trist sein, oft erotisch, manchmal komisch, oft dominanzgeprägt, aber die Inszenierung ist nie beliebig. Sie entzaubert weniger die Figuren, bezaubert mehr das Publikum.