Foto: Szene aus "Diener zweier Herren" in Konstanz © Ilja Mess
Text:Manfred Jahnke, am 18. März 2016
Hinter jeder Komödie lauert das Tragische, oder, wie Martin Heckmanns es formuliert: „Gegen die Depression und den ‚Terror der Intimität‘“ hilft nur die distanzierende Form der Komik und das übermütige Rollenspiel. „Der Diener zweier Herren“ von Carlo Goldoni ist so eine Medizin. Der „Überwinder der Commedia“ zeigt da den Überlebenskampf des Truffaldino aus Bergamo, den in Venedig der Hunger antreibt und ihn zwingt gleich zwei Herren dienen zu wollen, was für reichlich Verwirrung und am Ende für drei Ehen sorgt. Was Goldoni vorführt, ist der Versuch des Truffaldino seinen Spielwitz gegen eine sozial ihn vernichtend wollende Welt zu behaupten. Und dann ist da noch die Beatrice, die in Männerkleidern ihrem Geliebten nachreist, der ihren Bruder im Duell besiegt hat und für ein neues Frauenbild kämpft. Beide Themen sind leider nicht historisch erledigt, wie Martin Heckmanns in seiner Übersetzung heraus hebt. Diese verschlangt die Handlung, um das Spieltempo steigern zu können. So wird die Figur des Dottore gestrichen. Sprachlich aktualisiert er die Handlung und macht so deutlich, dass zwischen Damals und Heute keine großen Unterschiede existieren: Das Sprechen und Denken eines Kaufmanns wie Pantalone muss man sich nicht in der alten Maske vorstellen, sondern es tut auch der rote Anzug eines smarten Geschäftsmannes.
Aus dem Widerspruch heraus, dass es Goldoni gelingt, das amoralische Spielprinzip der „Commedia“ in die moralischen Handlungen einer bürgerlichen Welt zu integrieren, inszeniert am Theater Konstanz Johanna Schall den „Diener zweier Herren“. Die Kostümbildnerin Jenny Schall lässt die beiden Dienerfiguren ahistorisch mit den Resten eins Harlekinkostüms auftreten, während alle anderen, die sich in der Herrschaftsschicht bewegen, heutige Kleidungsstücke tragen, alle mit verfremdenden Zusätzen. Auch der Raum von Horst Vogelgesang spiegelt ein zeitloses, leicht folkloristisches Design: Zwischen zwei zweistöckigen Häusern eingeklemmt ist der Wirtsgarten des Brighella, auf drei Ebenen sind Tische angeordnet, auf denen die Stühle aufgebockt sind. Nach hinten wird das Bild durch eine Mauer abgeschlossen, hinter der der Canale Grande fließt, wie pantomimisch Rudergesten andeuten oder der holprige Start eines Motorbootes. Vorne rechte ist ein kleines Studio eingerichtet, in der alle Geräusche live von den Ensemblemitgliedern produziert werden.
Wenn das Spiel beginnt, räumt der Brighella, den Sebastian Kreutz mit prächtigem Schnauzer spielt, seinen Raum auf, mit großen artistischen Bewegungen, dabei immer das Publikum anschauend, beginnt mit den Fingern zu schnipsen, fordert das Publikum zum Mitmachen auf und so entsteht aus einer musikalisch rhythmisierten Grundstimmung heraus eine Choreographie, die mit ihren körperlichen und stimmlichen Übertreibungen den Handlungen alles Naturalistische austreibt. Die pure Lust daran, alles in Spiel zu verwandeln, wird hier als Verfremdung eingesetzt, um die heutige Welt zu spiegeln. Allerdings entsteht eine Überfülle an witzigen Handlungen, so dass es denn manchmal wieder zu viel wird. Und dann gibt es noch die Folklore-Falle: Wenn man schon in „Bella Italia“ ist, dann muss schon mit Inbrunst gesungen werden, nicht nur „Felicitas“.
Im Ganzen gelingt es dem Ensemble die Balance zwischen exaltierter Gestik, musikalischem Rhythmus und schriller Stimmen durchzuhalten und dabei auch noch den Raum für Improvisationen zu nutzen. Andreas Haase ist ein smarter Geschäftsmann mit sonorer Stimme, der nur an seinen Vorteil denkt. Jana Alexia Rödiger spielt als Clarice, die Tochter, ihr scheinbares Unglück zickig mit schriller Stimme aus, Friederike Pöschel als in Männerkleidern agierende Beatrice, kopiert übertrieben genau in ihrem Verhalten die Männerwelt. Ihr Geliebter Florindo wird von André Rohde als Inbegriff eines Macho-Playboys gespielt. Gegen diese gänzlich sich überdrehende Herrschaftsschicht setzen sich Julian Härtner als Truffaldino und Johanna Link als Smeraldina nicht nur durch ihre Kostüme ab. Auch, wenn sie in ihren Bewegungen über eine große Artistik verfügen, sind sie in ihrer Spielweise realitätzugewandter als ihre Herrschaften. Dabei glänzt insbesondere Johanna Link auch durch ihr improvisatorisches Spiel.