Foto: Szene aus "Heißer Sommer" © Dirk Rückschloß/BUR-Werbung
Text:Ute Grundmann, am 23. Juli 2018
„Heisser Sommer“, Musical mit der Originalmusik aus dem gleichnamigen DEFA-Film von Axel Poike am Eduard-von-Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz
Wie kriegt man die Ostsee ins Erzgebirge? Am Wasser spielt nämlich der DEFA-Film „Heißer Sommer“ und den wollte das Eduard-von-Winterstein-Theater unbedingt auf seiner Naturbühne Greifensteinespielen. Also erfand man eine kleine Rahmenhandlung und schon rauschte nahe Annaberg-Buchholz das Meer.
Die Handlung des Films aus dem Jahr 1968 ist eine seichte Gute-Laune-Geschichte: Eine Truppe junger Männer und Frauen kommt im gleichen Ferienheim an, man befehdet sich ein bisschen, doch es kommt, wie es kommen muss: die Pärchen bilden sich, der resoluten Hausmutter zum Trotz – das Hauptpaar, Stupsi und Kay, wurde im Film von den DDR- Schlagerstars Chris Doerk und Frank Schöbel gespielt, Doerk war zur Premiere gekommen. Regisseur Axel Poike hat auch die Bühnenfassung geschaffen und die wasserbringende Rahmenhandlung: Der älter gewordene Kay (Olaf Kaden) hat sich ins Erzgebirge als Wanderführer für – natürlich West-Touristen – zurückgezogen und blickt hier auf seine Vergangenheit zurück.
Regie und Ausstatter Tilo Staudte nutzen die imposante Kulisse der Greifensteine – hohe Bäume und wie gestapelte Steinplatten wirkende Felsen – weidlich und geschickt: Hoch oben blinkt ein Leuchtturm, das Bergrestaurant wird durch Schilderwechsel vom „Kulturhaus 8. Mai“ zum „FDGB Ferienheim“, mittendrin steht ein Kutter, ein güldener Marx-Kopf leuchtet in der Sommersonne, selbst die Wanderwege werden zur Bühne, zuerst für den komischen VoPo (Nenad Zanic), der „sachdienliche Hinweise“ für die Veranstaltung gibt. Und dann trudelt von allen Seiten die junge Truppe ein: Stupsi (Friederike Kury, einziger Gast in dieser Inszenierung) und Brit (Elisabeth Markstein), Kay (Nick Körber) und Wolf (Sebastian Schlicht) sind dabei die erst Streit-, dann Liebespaare. Natürlich kommen ebenso ein Trabi und ein Transportbeton-LKW vorbei.
Auch musikalisch ist man dem Film treu geblieben (Musikalische Leitung: Thomas Bürkholz, Markus Teichler), die Original-Klänge von Gerd und Thomas Natschinski hat Thomas Bürkholz ein bisschen aufgepeppt, den DDR-Pop auf Breitwand gezogen, für Stupsi wurde das Lied „Was fang ich an mit diesem Mann?“ hinzukomponiert, der Sound für‘s Halbplayback wurde vom Theater aufgenommen. Original sind Titel wie „In der Mokkaeisbar ist es geschehen“, und die Spielfreude und der Elan des Ensembles reißt einiges raus. Choreographin Kirsten Hocke hat mit Laientänzern hervorragend gearbeitet und pfiffige, schmissige Tanzszenen auf die schmale Bühne gebracht. Friederike Kury als Stupsi ist ist so niedlich wie agil, kann kokett ebenso wie ironisch sein. Nick Körber gibt seinem Kay freche und romantische Züge mit. Und Isa Etienne Flaccus als Möchtegernschauspielerin Thalia macht das ganz wunderbar: Bevor sie sich küssen lässt, erklärt sie dem jungen Mann, richtig Küssen sei blanker Naturalismus, das müsse man „zeigen“ wie von Brecht gefordert. So mildern die sympathischen Darsteller die Behäbigkeit dieses Sommertheaters etwas ab, in dem längere Textpassagen den Schwung eher verlieren, ein paar DDR-Witze gibt’s auch („Du hörst dich an wie aus dem Klub schreibender Arbeiter“ zickt Brit da Stupsi an). Im Publikum war anerkennend zu hören „Erstaunlich, dass es solche Filme bei uns gab“, im Prinzip aber hat diese Freilichtaufführung schon Ostalgie à la Mitteldeutscher Rundfunk an sich.
Doch das, wie gesagt, mildern die wunderbaren Schauspieler ab und einige sehr gelungene Szenen: Da wird getanzt, bis der Kutter brennt, zur etwas basslastigen Mitwipp-Musik setzt der junge Kay das Lied fort, das der ältere begonnen hat. Als sich nach 90 Minuten Film- und Bühnen-Stupsi Doerk und Kury auf der Bühne umarmten, kannte der Jubel keine Grenzen mehr.