Aus den vielen verschiedenen Quellen, die erst nach dem Tod von Offenbach entdeckt wurden, hat man eine eigene Freiburger Fassung erstellt, die zusätzliches musikalisches Material enthält. Vor allem aber wurden viele Texte von Novalis bis Galina Rymbu hinzugefügt, die die beiden Schauspieler Stefanie Mrachacz und Thieß Brammer im weißen Overall und mit Schutzhelm vortragen. Sätze wie „Die Poesie wird im Bett gemacht – wie die Liebe“, „Bedenkt, dass alle Universitäten hier auf Blut gebaut sind“ oder „Zu schreiben, zu sprechen ist kein Luxusgut“ werden kombiniert mit einem Ausschnitt aus Bob Dylans Rede anlässlich der Verleihung des Literatur-Nobelpreises, in dem er über die Bedeutung von Songs räsoniert. Die Bandbreite reicht von grotesk bis poetisch, von sozialkritisch bis utopisch. Eine Collage, die im Kontext der Oper jedeoch beliebig wirkt und auch immer wieder eingreift ins ohnehin schon fragile Werk. Übergänge werden keine geschaffen. Überhaupt wirkt dies eher wie ein Brainstorming als ein schlüssig ausgearbeitetes Konzept. Zwischen Musik und Text entsteht keine unmittelbare Beziehung. Die Oper wird zur Baustelle. So gesehen erhält auch der Schutzhelm eine ganz neue Bedeutung. „Hoffmanns Erzählungen“ erzählen nichts, sondern stellen nur Fragen, reißen an und dekonstruieren die Handlung.
Le Lab schafft auch mit dem weiß gekachelten Bühnenbild, das den Charme eines Schlachthofs verbreitet, keinen Raum für Musik. Hier trinken die in rote Uni-T-Shirts gesteckten Studenten das Freiburger Pilsener der hier ansässigen Brauerei (Lokalbezug!), hier spielt man auch die fantastischen Binnenakte mit den drei Frauenfiguren, ohne dabei Atmosphäre zu entfalten. Glücklicherweise lässt sich das Philharmonische Orchester Freiburg unter Fabrice Bollon nicht von der Kälte anstecken, sondern lässt eine farbige, sehr plastische Interpretation entstehen, die die gesamte Bandbreite zwischen Studentenlied und sinnlicher Barcarolle im Venedig-Akt umfasst. Der für den erkrankten Rolf Romei kurzfristig eingesprungene Sébastien Guèze gibt einen lyrischen Hoffmann, der aber über genügend dramatische Reserven verfügt, um der Verzweiflung des Dichters Ausdruck zu verleihen. Mit Juan Oroczo hat er einen markigen, im Fortissimo etwas zu grob singenden Gegenspieler (Lindorf, Coppélius, Miracle, Dapertutto), der mit seinem Pelzmantel in fast allen Rollen ein wenig nach Zuhälter aussieht. Großartig die bis in höchste Höhen brillant gestaltete Olympia von Samantha Gaul! Solen Mainguené macht aus der todgeweihten Sängerin Antonia eine starke Frau mit großer dramatischer Wucht. Juanita Lascarro ist eine klangsinnliche Giulietta, Roberto Gionfriddo (Andrès, Cochenille, Frantz, Pitichinaccio) ein omnipräsenter Diener mit verstörender Komik.
Der Chor (Einstudierung: Norbert Kleinschmidt, Bernhard Moncado) agiert bis auf den wackeligen A-Cappella-Beginn der Männer im 5. Akt souverän und trotz relativ kleiner Besetzung durchaus klanggewaltig. Und gibt sich Mühe, dem keimfreien Ambiente ein wenig Leben einzuhauchen. Niklaus (mit betörendem Mezzo: Inga Schäfer) wird am Ende wieder zur Muse und streift seinen Theater-Overall über. Und der tote Hoffmann steht auf und schüttelt ein paar Hände.
2./5./16./24. November, 1./8./13./22./25. Dezember, 13. Januar, 4./21. Februar, 23./25. März