Text:Stefan Michalzik, am 18. April 2011
Es ist der Abschied von der romantischen Konstruktion der Liebe, vom dem Arthur Schnitzlers 1895 in Wien uraufgeführtes Stück „Liebelei“ handelt. Die Zerstreuung ist mit dem Aufkommen der Moderne Programm geworden. Das Amüsement hat das Regiment übernommen. Die bloße Liebelei ist an die Stelle einer fesselnden Kraft der Leidenschaften getreten. Stephan Kimmig schickt das zentrale Quartett der Schnitzler’schen ,,Liebelei“ in seiner Inszenierung am Frankfurter Schauspiel – auf der großen und nicht auf der für dieses Stück üblichen Kammerbühne – in den Technoklub und in die Karaokebar. Es sind Zeitgenossen, die uns da begegnen. Kathleen Morgeneyer als Christine fällt freilich schon durch ihre Kleidung aus dem Bild heraus. Eine weiße Bluse und ein roter Rock (Kostüme: Katharina Kownatzki) weisen sie als brav aus im Vergleich zu Franziska Junge als Mizi, ihrer bodenständig-lebensnahen Antipodin, die sich mit ihrem Partner Theodor (Sascha Nathan) in einer nüchternen Liebe einig ist. Derweil es Christines Geliebten Fritz, bei Isaak Dentler ein hart am Klischee vorbeischrammender Schluffi der neuen Boheme, nach „Zärtlichkeit ohne Pathos“ gelüstet, hält Christine an einem Ideal der Liebe fest, das überkommen zu sein scheint.
Der Eindruck von Kathleen Morgeneyer als Christine ist so stark wie problematisch. Die Gestalt dieser spindeldürren Frau ist in einem fort manisch zerquält; es ist ein stetes Zubbeln und Nesteln mit den Fingern, das Gesicht, ja der ganze Körper scheint rettungslos vom Leid beherrscht. Die hoffnungslose Hingabe findet nur für kurze Momente einen Widerhall bei Fritz, der einer Affäre mit einer verheirateten Frau wegen zum Duell gefordert wird und schließlich stirbt. Kathleen Morgeneyer wurde bei der Premiere mit einem kräftigen Schlussapplaus bedacht. Das Spiel dieser Nervenschauspielerin ist fraglos ein bemerkenswertes Phänomen. Freilich scheint sie auf einen Ton festgelegt, den man schon weidlich kennt, unter anderen aus der Frankfurter Inszenierung von Wedekinds ,,Lulu“ unter dem gleichen Regisseur. Es wäre interessant zu erfahren, ob sie es versteht, sich von diesem Manierismus abzulösen.
Es ist eine analytische Betrachtung, der Stephan Kimmig die Figuren auf Anne Ehrlichs plexigläserner Einheitsbühne unterzieht. Immer wieder offenbaren Betonungen in der Rede der Figuren ihre mangelnde innere Beteiligung, die fehlende Tiefe des Gefühls. Die Mitte scheint diesen Menschen in einer sich in der Multioptionalität allfälliger Möglichkeiten verlierenden Gesellschaft abhanden gekommen zu sein. Diese Art, Schnitzler zu lesen, bewegt sich auf der Höhe der Zeit.