Foto: Digital-interaktive Mäusegeschichte mit Clara Fritsche und Maus Frederick © Ida Zenna
Text:Ute Grundmann, am 22. November 2020
Daphne, die Feldmaus, und Siggi, ihr Wühlkollege, wuseln umher und sammeln Vorräte für den Winter. Frederick aber, die Haselmaus, schmeckt genießerisch Wörtern nach – damit er in der kalten Zeit etwas erzählen kann. So geht es in Leo Lionnis Bilderbuch zu und jetzt im Theater der Jungen Welt Leipzig. Aber weil die Pandemie auch die kleinen Zuschauer aussperrt, wurde aus der geplanten Kita-Produktion eine „digital-interaktive Mäusegeschichte“ als Zoom-Konferenz.
„Der Meeting-Moderator lässt Sie in Kürze eintreten“, ist kurz vor Beginn der ungewöhnlichen Premiere auf dem Laptop zu lesen. Keine Platzsuche, kein Hygieneschutz-Zettel wie im „richtigen“ Theater, dafür Anweisungen und Ansagen. Kaum hat man den Ton ein-, hat der Host ihn wieder stummgeschaltet, dafür kann man zuschauen, wer zuschaut – konstant 62 Teilnehmer (zum Beispiel das iPad von Karsten, Li ist auch dabei).
Für alle beginnt es mit einem Video: Eine grüne Tonne stapft in weißen Stiefeletten durchs Gras, dann durchs Theater der Jungen Welt, landet erst im leeren Großen Saal, dann vor der Stream-Kamera. Aus der Tonne grüßen die Puppenspielerin Clara Fritsche und die große, graue Haselmaus, die Peter Lutz gebaut hat. Und schon muss das Publikum zum ersten Mal ran, denn Clara und die Mäuse brauchen Licht: Und so halten die Familien, in kleinen Video-Kästchen auf der rechten Bildschirmseite, Goldfolie, Lichterketten, Kerzen hoch, da ist nicht nur Frederick schwer begeistert.
Lionnis Bilderbuch und Julia Sontags Inszenierung bieten eine einfache, verständliche Geschichte rund um die Jahreszeiten („unsere vier Freunde“), insbesondere den Winter: Den haben auch Zuschauer 3+ schon erlebt. Da muss man sich warm einmummeln, braucht Licht und Wärme. Um all das dreht sich auch das Stück, nur dass hier – schließlich ist man interaktiv – die buntesten Decken bejubelt und die Kinder gefragt werden, ob sie Sommer oder Winter mehr mögen.
Dazu ist die Kamera starr auf Tonne, Maus und Clara gerichtet, die Kameras an den heimischen PC sind es sowieso. Die Optik spielt also nicht mit, sie dokumentiert, wie Frederick an Blumen schnuppert und vor allem Sonnenstrahlen für den kommenden Winter sammelt. Clara findet das und ihre kleinen Zuschauer immer öfter „cool“, „fantastisch“, „super“. Dabei funktioniert im „Zuhause-Theater“ nicht alles, was auf der Bühne passt: Immer mal wieder erzählt Clara, was ohnehin alle sehen. Diese „Ich sehe…“-Passagen haben noch ein Manko: Im Theater schauen alle gleichzeitig zu, im Stream bleibt jeder und jede Familie für sich, das Zusammengefühl fehlt. Nicht aber beim schönen Ende der 45 Minuten (davon eine Viertelstunde technische Einweisung vorab): Clara und den winkenden Mäusen schallt aus den Wohnzimmern ein langes „Tschüüüüs“ entgegen. Natürlich werden die Kleinen – „wenn ihr wieder dürft“ – ins Theater eingeladen. Aber für die zweite Vorstellung am heutigen Nachmittag (22.11.20) sind die virtuellen Karten schon alle weg.