Foto: Szene mit Eric van der Zwaag und Stefan Diekmann. © Thilo Beu
Text:Hans-Christoph Zimmermann, am 25. Mai 2012
So komisch kann das Exil sein. Da stemmt der kommunistische Militärtexperte Richard Stahlmann als Castro-Imitat Gewichte und hat einen Hang zu den Martial-Arts; der Journalist Rosner trägt Zottelbart, ist ein Gnom und werkelt in einem Verschlag an der damaligen Parteizeitung „Die Welt“ und die eigentlich traumatisierte Rosalinde von Ossietzky hockt als esoterischen Weibchen auf der Matratze. Dazwischen irrt ein Erzähler umher und wo eigentlich von Überwachung, clandestiner Parteiarbeit im Untergrund die Rede sein sollte, macht sich ein Kuriositätenkabinett breit.
Thomas Krupa bringt am Schauspiel Essen als Uraufführung Peter Weiss’ Jahrhundertroman „Die Ästhetik des Widerstands“ auf die Bühne. Ein Wagnis und eigentlich unmögliches Unterfangen. Das tausendseitige Werk beschreibt den antifaschistischen Widerstand zwischen 1936 und 1944. Ein namenloser Erzähler, der weniger individuelles als kollektives Ich ist, erzählt in erlebter Rede vom den Kämpfen in Berlin, Spanien, Paris, vom Exil in Schweden und der Widerstandsgruppe „Die rote Kapelle“ in Berlin.
Historisches wechselt mit Beschreibungen von Kunstwerken, Kunsttheorie mit Analyse der Parteitaktik. Blocksatz, kaum vorhandene direkte Rede und eine filmisch inspirierter Detailrealismus machen die Lektüre nicht leicht, nichtsdestotrotz faszinierend. Neben der Geschichtsaufarbeitung, die Weiss mit autobiographischem Material anreichert, ist der Roman auch eine Art ästhetisch-proletarischer Bildungsroman, in dem der Erzähler allmählich zum Künstler wird. In Essen ist diese Ebene mitsamt der zentralen Begegnung mit Brecht im schwedischen Exil gestrichen. Krupa konzentriert sich auf die Geschichte des Widerstandskampfs.
Jahreszahlen und Orte werden als Schriftzug eingeblendet und das erzählerische Geflecht des Romans in Dialoge aufgelöst. Da treffen sich der Erzähler (Stefan Diekmann) unter eine Lampe und diskutiert mit seinem Vater (Eric van der Zwaag) über den Streit zwischen KPD und SPD oder man sieht den Arzt Hodann (Matthias Breitenbach) als kritischen Kommunisten, der mit den auf Matratzen lagernden Spanienkämpfern die Strategie diskutieren. Die Kostüme sind zeitnah gestaltet, Geräusche geben ein wenig Atmo, Filmeinspielungen werden auf die umlaufenden Folienwände mit Gitterstruktur projiziert und steuern authentisches Material bei. So geht es durch die Jahre: Eine Straßenbegegung mit Willi Münzenberg in Paris, der harsche Herbert Wehner in Schweden. Nicht nur werden die Parteidebatten schnell langweilig, die Dialogisierung mit eingesprengten Erzählpassagen kann mit Weiss’ experimenteller Erzähltechnik nicht mithalten und wirkt völlig konventionell.
Auch die Hervorhebung surrealer Szenen und Texte, die im Roman immer mit historischen Vorgängen verwoben sind, kommen eher willkürlich daher (trotz Peter Weiss’ persönlichem Interesse am Surrealismus). Nur gelegentlich wird es bedrängend, so beim Nachspielen der Gerichtssituation bei den Moskauer Schauprozessen oder bei den Holocaustvisionen der Mutter des Erzählers. Letztlich scheitert die Inszenierung als ihrer eigene Mutlosigkeit und mangelnden Experimentierfreude.