Auch in dieser „Lear“-Inszenierung zeigen sich die Eigenarten von Andreas von Studnitz. Nicht nur, dass es bei seinen „Klassiker“-Inszenerungen ohne eigene Übersetzungen, bzw. Bearbeitungen nicht geht, sondern auch, dass er glaubt, nur „in“ zu sein, wenn er mit Anglizismen um sich schmeißt (warum denn Shakespeare nicht gleich in Englisch?) und zu lauter Modernismen greift, die auf Lacher, aber nicht wirklich auf Inhalte zielen, wenn er z.B. das Gefolge von Lear als „Hooligans“ kennzeichnet. Oder seine Marotte Dialekte einzusetzen. Warum der Herzog von Burgund von Günther Nickles Schwyzerdütsch reden muss? Wo er doch so wunderbare Schauspieler wie Julia Baukus hat, die als Cordelia eine überzeugende reduzierte Form gefunden hat. Oder Wilhelm Schlotterer als Graf von Gloster. Neben ihren Frauen bleiben Fabian Gröver als Herzog von Cornwall und Maximilian Wigger-Suttner als Herzog von Albany zwangsläufig blass. Wobei im Zentrum ihrer Frauen eine Figur steht, die dieses Zentrum noch nicht ausfüllen konnte: Jakob Egger als Edmund, dem Bastard, der seinen Vater, den Grafen von Gloster, und seinen Bruder Edgar verrät, um ins Bett der Schwestern aufzusteigen. Auch Christian Streit hat als Edgar noch nicht ganz in seine Rolle hineingefunden. Bleibt von den zentralen Rollen noch der Graf von Kent des Timo Ben Schöfer zu nennen, immer gegenwärtig, aber unauffällig, wie es seine Rolle erfordert.
Wenn es auch viele schöne Momente in dieser Inszenierung gibt, bleibt doch ein unbefriedigtes Gefühl zurück. Es fehlt eine Haltung der Regie zur Geschichte: Was will mir diese Inszenierung wirklich erzählen? Und da drängt sich denn sogleich der Eindruck des Kunstgewerblichen auf. Nicht nur über die beschriebenen Bühnenelemente, sondern auch über die Kostüme (ebenfalls: Marianne Hollenstein), die zum Sinnbild der Unentschiedenheit dieser Inszenierung werden: Da läuft Lear in einem weißen heutigen Anzug herum, während andere in historisierenden Kostümen gesteckt sind.