Die Faggots und ihre Freunde leben im Reich Ramrod unter den Männern, die einen zerstörerisch Lebensstil führen, die alle anderen ausrotten, die immer hoch hinaus wollen: größer, weiter, mehr. Diese Männer lieben Papier, manchen Papieren geben sie viel Relevanz, und je mehr dieser wichtigen Papiere einer besitzt, desto mehr Macht obliegt ihm. Die Faggots und ihre Freunde werden von den Männern unterdrückt, beginnen aber eine Revolution von unten, schaffen es, ihren Lebensstil, ihr Weltbild zu behalten, ohne sich zu assimilieren.
Bei „the faggots and their friends“, bei den „women/Frauen“ und „men/Männern“ geht es um Begrifflichkeiten, die im Kontext von Diskussionen um Queerness, Gender oder Patriarchat eine bestimmte Bedeutung annehmen. Der „Mann“ ist bei Mitchell Sinnbild für eine bestimmte Art Mensch, der/die ein heteronormatives Weltbild vertritt, hier aber auch eine kapitalistische und patriarchale Gesellschaftsordnung unterstützt. Die Faggots und ihre Freunde stehen für unterdrückte Minderheiten, für intersektionale Unterdrückung, für eine alternative Lebensform, die wie Mitchell Kritik am Patriarchat, am Kapitalismus und Assimilierung übt und eine Freiheitsvision träumt.
Musikalisches Ereignis
Komponist Philip Venables hat basierend auf Mitchells Roman ein Musiktheater geschrieben, das 2023 am HOME Theatre in Manchester (UK) uraufgeführt wurde. In der Regie von Ted Huffmann ist das Stück dieses Jahr Teil des Programms der Ruhrtriennale. „Die letzten Revolutionen sind schon lange her und die Faggots und ihre Freunde sind immer noch nicht frei,“ beginnt Kit Green zu erzählen. Und so verläuft die Inszenierung nach dem Fabelprinzip, als Lehrstück, in dem die Darsteller:innen die Geschichte der Faggots und ihren Freunden und Revolutionen, von ihren Erfolgen und Niederlagen berichten.
Die Darsteller:innen sind Erzähler:innen, aber auch absolut begnadete Musiker:innen. Mit im Cast ist beispielsweise Jacob Garside mit einer Viola da Gamba, der Lautenist und Tenor Kerry Bursey, der eine Theorbe spielt und dabei berührend singt, die Sopranistin Mariamielle Lamagat mit voller Gänsehautstimme. Venables Instrumentierung macht Spaß: Bassquerflöte, Tenor- und Baritonsaxophon, Xylophon, Orgel, Klavier, Geige, ein Akkordeon, Cembalo, Tambourin, Gong. Die Komposition reicht von Barockklängen bis Broadway und soundtechnisch etwas zu hartem Ravedröhnen. Der Kampf der Fagotts und ihrer Freunde gegen Unterdrückung ist kein zeitgenössisches Phänomen, sondern läuft schon seit Jahrhunderten.
Starke Gemeinschaftsperformance
Durch Anekdoten wie Kit Greens eigene Transitions-Story schlägt die Inszenierung von der Fabel einen Bogen in die Realität und in gesellschaftsstrukturell verankerte Mechanismen. Sie übt beispielsweise Kritik an der Ehe, die für queere Menschen geöffnet wurde. Die Faggots beschreiben, wie sie so selber in die Falle gehen, sich durch Annahme der Ehe an ein normiertes Beziehungsmodell assimilieren, das den Kapitalismus unterstützt.
Mit allem Ernst ist die Geschichte der Faggots natürlich eine Leidensgeschichte. Die ganze Inszenierung hindurch wirkt sie aber nicht wie eine Anklage, provoziert feiner, mit viel Humor und nimmt sich sehr gerne selber aufs Korn. Yandass kämpft eine ganze Weile mit dem bunten Umhang des Warren-und-seine-Fickstange, dem Anführer von Ramrod. Mit dem Mantel eignet sich der Anführer der Vielfalt an, will alles daran besitzen. Und Yandass als Faggot versucht vielleicht in seinem Ringen mit dem Mantel gerade die Labels abzuschütteln, die dem Faggot-Sein seitens der Unterdrücker:innen zugeschrieben werden.
Das Stärkste in der Inszenierung sind die Darsteller:innen, die die gesamte Produktion ohne großes Bühnenbild, lediglich mit Instrumenten und einer eindrucksvollen und unterhaltenden Gemeinschaftsperformance tragen. Venables Kompositionen greifen kapitelähnlich ineinander, schaffen den abwechslungsreichen Boden für die Möglichkeit einer Perspektivveränderung.