Foto: Solo: Maximilian Grünewald © Florian Merdes
Text:Björn Hayer, am 13. Mai 2016
Jede Generation tritt ihre Suche nach dem verlorenen Paradies an. Was sie bewegt, ist das Echte und Wahre, das Ursprüngliche jenseits einer entfremdeten Zivilisation. Den zahllosen Aussteigern der Moderne – von den Lebensreformer bis zu den Hippies – dürfte Henry David Thoreaus halbfiktionaler Bericht „Walden oder Leben in den Wäldern“ (1854) als heilige Schrift gegolten haben. Es ist ein Lob auf die Askese, eine Anleitung zur Abkehr von Luxus und Dekadenz, der Versuch, in einer selbst gebauten Holzhütte im Wald jenes Heil zu finden, das die moderne Gesellschaft nicht bieten kann.
Am Badischen Staatstheater Karlsruhe hat man diese Schrift nun wiederentdeckt und in ironischer Verve neu verfugt. Auf der Bühne der Uraufführung „Planet Walden“, geschrieben von Anatol Vitouch, steht ein roter Kleinwagen, darin ein Mittdreißiger mit Thoreaus Buch, einem ausgestopften Dachs und allerhand Dingen des täglichen Bedarfs. Er hat die Flucht ergriffen, back to the roots. Statt auf den Aufbau einer neuen Heimat in der Ferne, wie es der gängigen Robinsonade innewohnt, setzt Regisseurin Felicitas Braun ganz auf die Kraft des inneren Monologs. Um die One-man-Show lebendig zu halten, spielt Maximilian Grünewald die Klaviatur sämtlicher Stimmungen und Emotionen, verkleidet sich als siebter Zwerg, der ein Waldhaus zu bauen bestrebt ist, imaginiert sich in Captain Kirk oder ergeht sich in einer scharfzüngigen Anklage des übersättigten Publikums. Bisweilen erklingen dazu mal Panflötenklänge oder rockige Revolutionssongs. Bunt ist das, humorvoll zugespitzt – vielleicht das beste, was man aus einer derartigen Reflexionsprosa herausholen kann.
Großartig und überzeugend sind dabei vor allem die Brüche und Entzauberungen dieser Überschreibung des Thoreauschen Textes. Auf mit weißen Laken bedeckten Stuhlreihen, die spiegelartig zum Publikum angeordnet sind, wird etwa ein Film projiziert, der den Protagonisten als den Autor von „Walden oder Leben in den Wäldern“ mit Angel und Axt in der Wildnis zeigt. Ein Naturbursche aus dem Bilderbuch. Doch das Gesamtbild wird durch die Reihenformation gebrochen. Mehr als verzerrte Nostalgie bleibt nicht übrig. Auch der einsame Held dieser Inszenierung wird zu dieser Erkenntnis gelangen – greift er doch schon in der ersten Existenzkrise nach einer letzten Zigarette. Die Botschaft: Es gibt kein Außerhalb der menschlichen Gemeinschaft mehr, keine unbelassene Idyllen und erst recht kein Arkadien mehr, sondern nur das Bewusstsein des Widerspruchs, in dem wir alle leben. Sehenswert!