Die Inszenierung folgt den Begegnungen Odysseus‘ auf seinen Irrfahrten: der einäugige Polyphem, die Laistrygonen, Kirke, Hades, die Sirenen, Skylla, die Ankunft in Ithaka und die Ehrung der Vorfahren. Doch gibt es eben nicht nur einen Odysseus. Christiane Jatahy vereint in ihrer Arbeit verschiedene Schauspieler*innen aus und in unterschiedlichen Kontinenten und Staaten – dem Libanon, Palästina, Südafrika, Griechenland und Brasilien. In all diesen Ländern werden ähnliche Szenen gedreht. Die Akteur*innen spielen zwar Odysseus und die anderen Figuren, bringen aber auch biografische Erlebnisse mit rein. Homers antiker Text vermischt sich mit den biografischen Erzählungen. Nicht immer ist klar, ob es Odysseus oder der Schauspieler ist, der spricht. Wirklichkeit und Fiktion vermischt sich, wie eine Performerin erkennt. Der Abend soll zeigen, dass sich auch heute Menschen auf einer Irrfahrt befinden. Bewegend, wie die Schauspielerin Yara Kraish uns im Film erzählt, dass sie nicht in ihre Heimat Syrien gehen kann, obwohl sie nur ein paar Minuten weit weg ist. Wie nah und doch so fern das Ziel ist. Wie bei Odysseus ist eine Ankunft ungewiss. Ihre Geschichte wird immer wieder aufgegriffen. Rührend berichtet sie, wie sie zum Studieren aus Syrien wegzog und als sie zurückkehrte, verhaftet wurde. Wie ihr in der Gefangenschaft die Würde und Hoffnung geraubt wurde, wie sie ihre Freiheit zurückerlangte und dennoch nicht nach Hause zurückkehren kann.
Aber es bleibt nicht bei dieser Geschichte. Manchmal wird zwanghaft versucht, Parallelen zu finden: Krieg, Tod, Flucht, Fest, Umweltzerstörung, Diktatur. Und auch der Versuch, das Publikum so sehr einzubinden, dass es am Ende denkt, es sei Odysseus, ist etwas fahrig. In der letzten Sequenz reist die Regisseurin zu einem indigenen Volk im Amazonasgebiet, um dort eine Verbindung zu ihrem Großvater zu finden. Das wirkt leider ebenfalls, mit der Anspielung auf die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse in Brasilien, zu weit hergeholt für einen eigentlich thematisch runden Abend, der zwar alle nachdenklich zurücklässt, aber eben mit der Frage: Warum sind wir Odysseus?