Wenn der Vorhang sich hebt, dann ist die ganze Bühne von einem Chor gefüllt, der in unterschiedlichen grotesken Kostümen von Nic Tillein gehüllt ist. Der Raum von Duri Bischoff erinnert an eine alte Bildergalerie oder einen Salon. An den dunkel getäfelten Wanden hängen zweistöckig Gemälde, die Schiffskatastrophen aus der Segelschiffzeit zeigen, Viermaster im Eis zerdrückt oder brennende Schiffe. Während der Chor in immer neuen Anläufen das „Requiem“ zu singen versucht, tragen drei SchauspielerInnen in leicht slapstickhaften Auftritten riesige Torten über die Bühne. Und dann kommt der großartige Auftritt der Yuka Yanagihara, die im Programmheft als Solistin angeführt wird. Nicht nur, dass die gebürtige Japanerin über eine schöne Stimme verfügt, die bei „Addio del Passato“ durchaus an die Callas erinnert, sondern sie ist darüber hinaus auch eine starke Spielerin, die nicht nur komödiantisch agiert, sondern auch Spannung halten kann. Wie sie in den Kuchen beißt und dann mit vollem Mund singt, so dass die Krümel nur so herumfliegen, wird zum Sinnbild einer ganzen Gesellschaft, die im luxuriösen Taumel lebt.
Musikalisch formt Stefan Wirth den Chor, der den Konstanzer Kammerchor und Studenten der Hochschule für Musik Trossingen zusammenführt, zu einem Klangkörper von hoher Qualität. Mahler lässt den Chor immer mehr sich vermummen, ein grotesker Mummenschanz mit Vogelkopfmasken, Ritterhelmen, Perücken, etc., manchmal an Karneval, manchmal an Totentänze erinnernd. Wenn dann die vokale Musik verstummt, legt der Chor die Masken ab und drapiert sie auf der Bühne so wie die berühmte Szene mit den vielen Leichen aus dem „Titanic“-Film. Zuvor aber wurde ein Mann, der zuvor einer der Kellner war, entkleidet und gedemütigt. Und während nun Stefan Wirth „…sofferte onde serene…“ von Luigi Nono auf dem Klavier spielt, der Chor entschwunden ist, nur Yuka Yanagihara am Rande erstarrt zuschaut, erzählen nun Johanna Link, Sylvana Schneider und Peter Posniak ihre Geschichten aus einer anderen Welt, die von einer starken poetischen Kraft durchzogen sind und beim Zuschauer klare Bilder entstehen lassen.
Mahler hält nichts vom Betroffenheitstheater. „Alla Fine del mare“, das vom Theater Konstanz im Rahmen des Internationalen Bodenseefestivals produziert wurde und demnächst auf der Theaterbiennale in Venedig gastiert, arbeitet mit starken Bildern, die den Zuschauer zum Mitdenken herausfordern. Ein grandioser Theaterabend.