Foto: Johanna Richters "Secret Garden" an der Schauburg München. v.l.n.r.: Tim Bergmann, Joy Bai, Volker Michl, Alan Brooks, Caroline Finn, Jannis Spengler © DigiPott
Text:Manfred Jahnke, am 10. März 2014
Ein trister von Betonwänden beherrschter Ort, an der Wand hinten rechts eine Eisentür, bunt bemalt, im „Hof“ ein kahler Baumstumpf: so sieht der von Mark Rosinski geschaffene Raum aus, wenn sich der Vorhang zu der neuen Tanztheaterproduktion von Johanna Richter an der SchauBurg München hebt und mitten in diesem Hof eine merkwürdige Figur (Volker Michl) eine fast klassische Choreographie tanzt. Dann brechen in diesen Hof weitere sechs Akteure ein, die hasten, die in kleinen aggressiven Ritualen zusammenstoßen oder im letzten Augenblick ausweichen. Anfangs scheint alles Handeln nur hastig, aber ziellos zu wirken: eine Rush Hour im Hinterhof. Aber immer mehr wird die Tür rechts im Hintergrund zum Anlaufpunkt, die auch geschlossen bleibt, wenn der türkische Türsteher (Jannias Spengler) auftritt. Zu wummernden Bässen, Hip-Hop und anderer moderner Tanzmusik entwickelt sich ein zwischen Anmache, typischen Türsteherszenen und Slap-Stick rasch wechselndes Gefüge. Vor allen Dingen Miguel Fiol Duran entwickelt dabei ein wunderbar komisches Bewegungsrepertoire, wie überhaupt Johanna Richter einen Sinn für Humor hat, wenn sie die Überlistungsversuche der Akteure zeigt. Bis dann einer ausflippt, Alan Brooks, der unterstrichen von aggressiven Gesten, seinen ganzen Frust auf die Welt heraus schreit.
Und dann passiert es. Der Oldie „Love is in the air“ tönt aus den Boxen, die Bühne wird in grünes Licht eingetaucht, ein Baumast mit rosafarbenen und weißen Blüten senkt sich über die Bühne, später fällt noch eine Schaukel aus dem Bühnenhimmel. Insbesondere die beiden Frauen des Ensembles verwandeln sich auch in ihren Kostümen: Joy Bai wirft schwarzen Mantel und blonde Perücke ab und steht nun in rosanen Kimono dar, während Caroline Finn über ihren Discofimmel ein langes Kleid in Türkis überzieht. Wie in der Musik ein rasanter Stilwechsel – bis hin zur Swingmusik Glenn Millers – stattfindet, nun auch in den Bewegungsgesten, die sich verlangsamen, harmonisch sich in schwingenden, fast klassischen Bewegungen ausdrücken. Mehr noch: die flüchtigen Bewegungen einsamer beziehungsloser Menschen lösen sich in wirkliche Begegnungen auf: Wie im Zauberwald eines magischen „Sommernachtstraums“ werden hier Menschen zusammen geführt.
Aber das Paradies ist ein Traum, eine Utopie, eben ein „geheimer Garten“. Im dritten Teil führt Johanne Richter ihr siebenköpfiges Ensemble wieder in die Wirklichkeit des Betons, aber die Bewegungen haben sich verändert, sind „offener“, auch weniger aggressiv geworden. Der Traum von der Entschleunigung des Alltags bricht sich zumindest teilweise Bahn: Aus getriebenen Einzelnen ist eine Gruppe geworden. Mit „Secret Garden“ hat Johanna Richter mit ihrem Ensemble, zu dem noch Tim Bergmann als der Mann mit Hut gehört, eine Choreographie geschaffen, die dem Lebensgefühl und der Sinnsuche junger Menschen mit sehr einprägsamen Bewegungsmaterial einen künstlerischen Ausdruck gibt.