Dies wäre der einzige musikbezogene Kritikpunkt in der von Justin Brown ansonsten hervorragend geleiteten Aufführung – der Dirigent animierte die Instrumentalisten der Badischen Staatskapelle (Klarinette!) zu Höchstleistungen. Eine Produktion der „Troyens“ ist für jedes Theater eine Riesenherausforderung, nicht nur wegen der solistischen Partien, sondern auch wegen Berlioz’ Anforderungen an Vielfalt und Masse in Orchester und Chor. Durch Einbeziehung des Zuschauerraums fanden sich hier überzeugende Lösungen ohne musikalische Verluste. Aeneas, jene Figur, die den Troja-Teil mit dem Karthago-Abschnitt verbindet und über die Oper hinaus noch den zukunftsträchtigen Auftrag der Neugründung Trojas in Italien weiterträgt, blieb auch deshalb blass, weil Regisseur David Hermann keine packende Vision zu ihrer Gestaltung entwickelte. Jenseits konventioneller Operngesten, ob heldisch oder leidenschaftlich, passierte wenig, übrigens oft genug auch bei den Frauen. Die Phantasie, die in das ausgefeilte Spiel der stummen Toten floss, fehlte bei den Lebenden.
Die Tanzsparte, die Berlioz in zahlreichen Tänzen und Pantomimen vorgesehen hat, fiel bedauerlicherweise weg. Dafür bekam der staatstragende Beginn des Karthago-Teils eine mediale Komponente mit Bildern auf Großleinwand und einer animierten 3D-Präsentation der neu erstehenden Stadt. Das berühmteste Instrumentalstück der Partitur, die Pantomime „Chasse royale et orage“ mit ihren Jagdbläsern auf der Bühne und rufenden Nymphen und Faunen wurde kammerspielhaft umgedeutet: Die verliebte Dido wartet zum Hörnerklang auf Aeneas wie Isolde auf Tristan.
Die Bühne von Christof Hetzer ist geprägt von stilisierter Archaik (Troja) und mediterranem Flair mit Olivenbaum (Karthago), die Kostüme waren weniger gelungen. So wechselten überzeugende theatralische Lösungen mit eher unfertigen Ansätzen. Das Staatstheater Karlsruhe aber hat eines der anspruchsvollsten Werke der Opernliteratur mehr als respektabel gestaltet; dieses Unterfangen ist immer eine Reise wert.