Foto: Satyavan (David Zimmer), Savitri (Betsy Horne), Chor des Landestheaters Coburg © Landestheater Coburg
Text:Stefan Hoffmann, am 23. Juni 2014
Orpheus und Eurydike/Savitri, so heißt die letzte Opernproduktion dieser Spielzeit im Landestheater Coburg. Sie verwebt den Klassiker mit einer Kammeroper des englischen Komponisten Gustav Holst. Herauskommt dabei kein exotisches Experiment, denn die Verklammerung von „Savitri“ und „Orfeo ed Euridice“, Holst und Gluck, also auch von beginnender Moderne und Vorklassik gelingt, da die Themen der beiden Werke ganz eng beieinanderliegen, wie Magdolna Parditka, die gemeinsam mit Alexandra Szemerédy Regie, Bühnenbild und Kostüme verantwortet, erklärt: „Wir haben gleich feststellen müssen, dass die zwei Stücke sich spiegeln und durch diesen Spiegeleffekt ergänzen sich die beiden Stücke sehr gut: In „Savitri“ ist die Frau die Starke, die ihren Mann vom Tod zurückholt Und im „Orfeo“ ist es der Mann, der seine Frau Euridice aus der Unterwelt wiederbringt.“
Savitri ist eine Episode aus dem indischen Heldenepos Mahabharata, Gustav Holst hat die Geschichte eigenhändig übersetzt und daraus das Libretto für sein halbstündiges Werk entwickelt. 12 Instrumentalisten (2 Flöten, Englischhorn, 2 Streichquartette und Kontrabaß) und vor allem der Frauenchor erzeugen unter der Leitung von Anna-Sophie Brüning, 1. Kapellmeisterin am Landestheater, Klangflächen, die den drei Sängern (Betsy Horne als Savitri, David Zimmer als ihr Mann Satyavan und Jiri Rajniš als Tod) eine innerlich glühende Dramatisierung des Geschehens ermöglichen. Der expressive Klang wird zu einem Sakralraum, in dem Fragen nach Leben und Tod angemessen verhandelt werden können.
Orfeo ed Euridice erfordert dagegen, wie die Dirigentin sagt, eine „gefasstere“ Art zu musizieren, da Handlung und Musik formal wesentlich strikter angelegt sind. Brüning hat das Orchester des Landestheaters auf einen schlanken, transparenten Klang eingeschworen, der verhindert, dass dieser Orfeo zu süffig wird, bloßes Entertainment. Die Art zu musizieren gibt dem Geschehen auf der Bühne Struktur, Verena Usemann als Orfeo, Anna Gütter als Euridice und Julia Jakob als Amor können darin agieren, ohne Emotion zu erzwingen. So entstehen als Ergebnis harter Probenarbeit viele anrührende Momente, wie Ann-Sophie Brüning erklärt: „Mich hat eben besonders interessiert herauszufinden, wie die beiden Komponisten den Übergang ins Jenseits darstellen, mit was für Mitteln, das ist hochinteressant, das zu vergleichen. Wie näher das Jenseits bei Holst rückt. Bei ihm – also Anfang des 20.Jahrhunderts – ist das Jenseits viel näher dran als im 18.Jahrhundert und das kann man musikalisch merken.“
Umso mehr, als in Coburg nicht erst das eine Stück präsentiert wird und danach das andere. Parditka und Szemerédy inszenieren Savitri und Orfeo als ein Stück über Verlust, Einsamkeit, Tod, Verzweiflung, Mut. Als eine Aufführung, die fragt, was geschieht, wenn der Verlust des oder der Geliebten das Leben unerträglich macht. Welche Haltung ist dann möglich?
Holsts Kammeroper macht den Anfang, das Stück hat keine Ouvertüre, sondern beginnt unvermittelt mit einer Arie des Todes, der von sich sagt, dass er der Weg sei, den jeder Mensch beschreiten müsse. Die beiden Regisseurinnen führen ihr Publikum auf einen solchen Weg. Savitri rettet ihren Mann, danach kein Pause, sondern das Geschehen auf der Bühne geht sofort in den Orfeo über, bis zu dessen wunderbarem Finale. Doch kaum ist der Jubel verklungen, betritt der Tod wieder die Bühne: Ein beeindruckendes Memento mori.
Am Tod zerschellen Ablenkung und Hybris, Selbsttäuschung und Sicherheit. Seine Gegenwart fordert das Leben bis zum Äußersten heraus Diese Intensität wird in der Inszenierung spürbar. Vor Augen geführt vor allem auch durch das Ballett des Landestheaters, das immer wieder die extremen Gefühle der Protagonisten abbildet, aufschlüsselt und in Bewegung umsetzt. Auf diese Weise gelingen Momente, die den Betrachter tief berühren und aufhorchen lassen. Magdolna Parditka betont: „Es war uns sehr wichtig bei der Entwicklung des Konzepts und auch bei den Probenarbeiten, dass wir dieses Thema Tod sehr persönlich angehen. Wir haben auch mit den Tänzern sehr intensiv an diesen Seelenzuständen gearbeitet und ich glaube, diese Ernsthaftigkeit und diese persönliche Herangehensweise zeigen sich.“ Dazu trägt auch der von den beiden jungen Ungarinnen gestaltete Spielraum bei: Die aus einer gleich großen schwarzen und weißen Fläche bestehende Bühne steigt leicht an, die – gegengleich zur Bühne – ebenfalls schwarzen und weißen Wände laufen in einem Winkel zusammen. Dort befindet sich eine Tür als Symbol für Trennung, Schwelle, Übergang und dieses Symbol wird während des Stücks immer wieder in unterschiedlicher Weise verwendet.
Eine außergewöhnliche Produktion, emotional dicht und das Publikum fordernd, aber dennoch oder gerade deshalb bei der Premiere mit euphorischem Beifall belohnt. Zu Recht.