Foto: Szene aus Julian Lembkes Kammeroper „Rose: Rot. Nachtigall: Tot.“ am Nordharzer Städtebundtheater Halberstadt. © Max Messer
Text:Ute Grundmann, am 24. November 2011
Der Rosenstrauch sieht arg zerzaust aus. Fransiger Hut, fleckiger Mantel, so hockt er wie ein Stadtstreicher auf einem Rollbrett. Von ihm soll sich die Nachtigall eine schöne, rote Rose ersingen? Das scheint kaum möglich in dieser Kammeroper nach dem Märchen Oscar Wildes. Der junge Komponist Julian Lembke hat als Auftragswerk des Nordharzer Städtebundtheaters „Rose: Rot. Nachtigall: Tot.“ geschaffen, das in der Kammerbühne des Halberstädter Theaters uraufgeführt wurde. Musik und Inszenierung bewegen sich dabei erfolgreich auf dem schmalen Grat der Groteske, die aber nie ins Lächerliche abrutscht.
Mit einem hohen Triller der Nachtigall beginnt das Spiel auf der kleinen, fast ebenerdigen, schwarz-weiß gestalteten Bühne. Ein mürrischer Student (Tobias Amadeus Schöner) verbittet sich die Ruhestörung, ehe er deren Verursacherin, die Nachtigall, um eine rote Rose für seine Angebetete bittet. Die Nachtigall (Nina Schubert) macht sich auf die Suche, trifft eine Eidechse im giftgrünen Mantel, eine neidische gelbe Rose (beides: Regina Pätzer), eine arrogante weiße Rose, ehe sie dem verdorrten Strauch begegnet.
Der Text von Andreas Bisowski spielt mit diesen Farben und Eigenschaften, und die Musik von Julian Lembke gibt den grotesken Grundton dazu. Abstürzende Tonbögen, freche Kiekser von Bläsern und Klavier bestimmen die Musik, die aber den philosophierenden Studenten auch mal mit sanften Streichern begleitet und die Nachtigall fast dramatisch und mit kurzen Koloraturen singen lässt. Drei Streicher, zwei Bläser und ein Pianist des Theater-Orchesters lassen diese Klänge unter Leitung des 2. Kapellmeisters Symeon Ioannidis leuchten und flirren.
Und Andrea Moczko, die auch den vorangestellten „Pierrot Lunaire“ von Arnold Schönberg inszenierte, setzt mit ihrer Inszenierung der 50minütigen Kammeroper eher auf die leisen Töne. Die Rollen von Student, der Eidechse, der Rosensträucher (in die sich Tobias Amadeus Schöner und Regina Pätzer teilen) werden zu stimmigen Miniaturen, die auch schon mal die seltsamen Eigenschaften der Menschen und die unnütze Liebe besingen. Die Nachtigall, von Nina Schubert überzeugend stolz und naiv zugleich dargestellt, liefert sich auch mal ein Schimpfduell mit dem roten Rosenstrauch, geht aber ansonsten unbeirrt, weil sie an die Liebe glaubt, ihren Weg.
Der endet, so will es das Märchen, an einem spitzen Dorn des Rosenstrauches: Hier dargestellt mit einem langen, roten Tuch, unter dem die kleine Nachtigall versinkt. Doch im Schlußbild erhebt sie sich wieder, um mit Student und Strauch die Narrheit der Welt zu besingen.