Foto: Szene mit Gunther Nickles und Wilhelm Schlotterer. © Theater Ulm
Text:Elisabeth Maier, am 27. Januar 2012
Am 14. Oktober 1944 wird der Generalfeldmarschall Erwin Rommel, als Befehlshaber des Afrika-Feldzuges und „Wüstenfuchs“ eine Legende, zum Suizid mit Zyankali gezwungen. Tage später findet in Ulm ein Staatsbegräbnis statt, in dem der Kriegsheld von den Nationalsozialisten verklärt wird. Der Diktatur taugt er nur als Denkmal. Regisseur Stephan Suschke und der Dramaturg Michael Sommer haben sich am Theater Ulm auf eine schwierige Spurensuche begeben. Die Balance zwischen Dichtung und Wahrheit gerät in dem dokumentarischen Stück aus den Fugen. Das Experiment, mit Bezügen zu Kleists „Prinzen von Homburg“ die tragische Dimension von Rommels Leben zu erkunden, ist aufgesetzt. Starke Akzente setzt die Uraufführung des Autorengespanns Suschke und Sommer dagegen, wenn es um die Historie geht. Die erzählen die Ulmer Schauspieler packend.
Hinter dem metallisch kalten Bühnenvorhang hat Momme Röhrbein einen Bühnenraum geschaffen, dessen größenwahnsinnige Architektur an ein Ölgemälde erinnert. In seinem Haus in Herrlingen bei Ulm, das einst ein Zwangsaltersheim für Juden war, wartet der schwer verletzte Erwin Rommel darauf, dass ihm der Führer eine neue Aufgabe gibt. In historischer Uniform träumt Gunther Nickles von der Zukunft, aber sein Körper ist schwach. Zudem soll er ein Attentat auf Hitler mitgeplant haben. Die Zerrissenheit des Mannes, der mit Siegen in Afrika Weltherrschafts-Fantasien nährte, zeigt Nickles stark. Selbst im Streit mit seinem Sohn, dem späteren Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel, kann er nicht mehr bestehen.
Max Rechtsteiner lässt den 15-Jährigen, der als Alt-OB bis heute populär ist, zwischen Zweifel und blinder Kriegsleidenschaft taumeln. Rommels Frau Lucie-Maria glaubt fest an die Maximen Hitlers. Christel Mayr zeigt ihre Figur als blasse Schablone einer historischen Figur. Eine Kleist nachempfundene Verssprache nebst Bildern und Zitaten genügen nicht, um das dokumentarische Stück in eine Tragödie zu verwandeln. Da überschätzen Suschke und Sommer das Potenzial des Stoffes. Die Qualität der Uraufführung liegt in der Sensibilität, mit der die Autoren eine umstrittene Gestalt der großen deutschen wie der kleinen Ulmer Stadtgeschichte porträtieren. Die gefühlvolle Ulla Willick schleicht als jüdischer Geist durch die Räume des jüdischen Zwangsaltersheims, in dem später die Rommels wohnten. Verwirrt wispert die Greisin im Nachthemd Satzfetzen. Es sind tragische Berichte von Qualen und Tod im Konzentrationslager, die unter die Haut gehen. Distanziert legt Willick ihre Rolle als Hitler an, der seinen Getreuen Rommel in den Krieg peitscht. Mimik und Gestik verrutschen ihr in die Karikatur. Trotz mancher Schwäche wühlt das Dokumentartheater auf. Der ehrliche Umgang mit der Geschichte offenbart die menschliche Seite des Mythos.