Foto: Vanessa Daun, Tim Olrik Stöneberg, Christian Miedreich und Barbara Ullmann in "Keinohrhasen" am Theater Trier. © Marco Piecuch
Text:Rainer Nolden, am 9. Januar 2012
Kann man aus einem Film, der nur so von Klischees und vorhersehbaren Komplikationen strotzt, dessen Pointen zum größten Teil südlich der Gürtellinie angesiedelt sind und der zudem einen Macho und ein Mäuschen zu Hauptfiguren macht, denen man das Happyend niemals abkaufen wird – kann man also aus einem solchen Film ein einigermaßen funktionierendes und geistreiches (gerade Letzteres lässt der Til-Schweiger-Streifen sehr vermissen) Bühnenstück zimmern? Nein, kann man nicht. Jedenfalls nicht mit der Version, die Gunnar Dreßler aus dem Drehbuch extrahiert hat und die mit dem Original fast deckungsgleich ist. Eine nette Gelegenheit, mit den Genres zu spielen und das Eigenständige zu betonen, das die Bühne vom Film nun mal unterscheidet, verweht so zwischen den Kulissen.
„Keinohrhasen“ heißen Film und Stück, und der Titel ist auch schon das Charmanteste am ganzen Unternehmen. Dreßler hat die Geschichte von dem Klatschreporter Ludo, der zu 300 Tagen Sozialdienst in einer Kita verurteilt wird, und der Kindergärtnerin Anna für die in Berlin uraufgeführte Bühnenfassung auf vier Personen reduziert (von denen zwei in sämtliche andere Rollen schlüpfen, die rund um die beiden Protagonisten wieseln); Regisseur Michael Ophelders hat das Arsenal der Stichwortgeber um zwei weitere erweitert, und das Quartett (Vanessa Daun, Barbara Ullmann, Christian Miedreich, Manfred-Paul Hänig) haut echt auf die K…., um im Jargon der Vorlage zu bleiben. In rasantem Kostüm- und Charakterwechsel – von Kita-Kind bis Klitschko, vom Fotografen bis zum Vogel (Jürgen) – bringen sie Schwung auf die Bretter, chargieren, was das Zeug hält und lassen mit großem Vergnügen die Rampensau raus. Ihnen hat der Regisseur ein paar nette Einfälle mitgegeben, die sie genüsslich auskosten.
Tim-Olrik Stöneberg spielt das Testosteronreservoir auf zwei Beinen, das kann er richtig gut, und tritt mit genau der Großkotzigkeit auf, wie es das Klischee vom Macho-Klatschreporter einer Sensationspostille vorschreibt. Dass aber ausgerechnet der sich in Anna, die graumäusige Kindergärtnerin verliebt, die Tiermotive auf Strickwesten und Steppdeckenschlafanzüge trägt, das kauft ihm keiner ab. Alina Wolff übertreibt es zudem arg mit dem Spröden, Kantigen und Zickigen ihrer Anna, klebt alles in allem ein bisschen zu sehr an Nora Tschirner, der Anna des Films, und findet daher wenig Eigenes, was ihre Figur überzeugender und stimmiger hätte machen können. Und dass sie zu Ludo, diesem Frauenvernascher, unter die Steppdecke krabbelt, die noch warm ist von der Vorgängerin, das hat man ihr schon auf der Leinwand nicht abgekauft. Trotzdem war „Keinohrhasen“ der erfolgreichste Kinofilm des Jahres 2007. Gut möglich, dass das Bühnenstück die erfolgreichste Produktion des Trierer Theaters der Saison wird. Die (zumeist jugendlichen und weiblichen) Schweiger-Fans werden sich die Show gewiss nicht entgehen lassen.