Inka Neubert, Bernd Mand und Peter Klein haben dabei als eine ihrer Grundideen den Einbezug der Zuschauer entwickelt. Mal werden sie bei der Belgierin Hanneke Paauwe mit Fragen zu ihrer Körperbeziehung konfrontiert, mal werden sie zu Mitarbeitern in der Psychiatrie, denen der Direktor 1943 mitteilt, dass allen Insassen, die nicht in der Produktion tätig sind, die Essenrationen gekürzt werden. Oder im letzten Zimmer, in dem Anna Peschke eine Installation aufgebaut hat, die man nur besichtigen kann, wenn man zuvor in einer Wahlkabine auf eine Karteikarte notiert hat, welches Familienmitglied an seiner Gier verstorben ist. Erst dann darf der Zuschauer den Raum betreten, in dem Stationen aufgebaut sind und aktive in Gang gesetzt werden müssen: Was hier aufscheint, ist die Welt der Gaki, der Hungergeister. Fast in jedem Zimmer steht dieser Aktivierungsgedanke im Vordergrund: dem Zuschauer wird der Raum gegeben nachzudenken über etwas, was als Fernsehbilder an ihm vorbei flimmert, nämlich die Bilder von Hungerkatastrophen, aber wenig mit seinem Alltag zu tun hat.
Genau dieser Vorgang, dass wir aus einer Sattheit heraus den Hunger in der Welt betrachten, ist ein thematischer Schwerpunkt des Abends. Da isst Volker Hartmann-Langenfelder vom Kollektiv Positron auf einer großen Leinwand Kartoffeln, die er einstippt, er isst und isst. Man kann zuschauen, wie er immer mühseliger kaut. Ein eindrückliches Bild für einen Weltzustand des Überflusses, obschon in den 50er Jahren die Kartoffeln auf dem Tisch eher ein Zeichen des Mangels waren. Wenn auch die Beziehung zum Körper bei Paauwe im Zentrum steht, so zielt ein Teil der Fragen auch hier auf den Mangel in der Fülle. Nicht zufällig stehen die Zuschauer zeitweise auf Waagen, während Antonia und Theresia Hahn in grotesken roten Perücken vorführen, wie Körperbilder das Thema beherrschen. Während die eine einen mit Zuckerwatte drapierten Rock trägt und immer wieder Stückchen von dieser an das Publikum verteilt, „verkleinert“ sich die andere, indem sie ihren nackten Körper so mit schwarzer Farbe (im schwarzen Raum) bemalt, dass sie immer schmäler wird. Auch Magersucht ist ein Thema, das mit Hunger zu tun hat.
Beide konzeptionellen Grundlinien durchziehen fast alle Zimmerproduktionen. Sei es die Anspielung auf die Struwwelpetergeschichte in der Fassung von Angelika Baumgarnter, die Wolfgang Moos tänzerisch-akrobatisch über Hof und Klettergerüste agieren lässt, seien es die wunderbaren Miniaturen der Figurenspielerin Maren Kaun oder sei es „Den Seinen gibt’s der Herr (beinahe) im Schlaf“, einen Stücktext, den der Belgier Thomas Depryck eigens für das „Hungerhaus“ geschrieben hat. Die junge Heidelberger Regisseurin Jessica Weisskirchen arbeitet dabei die Geschichte eines Ehepaares (Marie Scholz und Björn Luithart), das von seinem Kind am Samstagmorgen und im Supermarkt bedrängt wird, auf ihre grotesken Züge hin aus, für den kleinen Raum des theater/haus-cafés aber etwas zu laut.
Am Ende geht man aus dem „Hungerhaus“ um viele Fragen reicher in das Dunkel Mannheims und war dank der raffinierten Dramaturgie, die die so unterschiedlichen Formate intelligent gemischt hat, gut unterhalten.