Foto: Tilo Nest als einsamer Mann von Köpenick © Sebastian Hoppe
Text:Detlev Baur, am 30. Oktober 2015
Kein Pass: keine Arbeit; keine Arbeit: keinen Pass. Die Ohnmacht des kleinen Mannes vor der allmächtigen Bürokratie ist ein zeitloses Thema – und besonders aktuell, wenn sie zur Ausweisung aus der Heimat führt. Insofern ist Carl Zuckmayers „Der Hauptmann von Köpenick“ ein überzeitlich aktuelles Stück. Und so gesehen macht Christian von Treskows Inszenierung am Düsseldorfer Schauspielhaus auch alles richtig mit diesem „deutschen Märchen“. Sandra Linde und Dorien Thomsen habe einen weiten, weißen Kasten entworfen, der durch Feuerwehrrutschen (hinten) beziehungswese in die Seitenwände eingelassene Rutschbahnen erreichbar ist. Da prangt in großen (mit Glühbirnen verstärkbaren) goldenen Lettern das Wort: „Heimat“.
So plakativ dieses dramaturgische Konzept ist, so übertrieben und aufgedreht erscheinen anfangs auch die zivilen und militärischen Figuren beim Uniformschneider Worms oder im Bierlokal. Insgesamt ist das Tempo in der Premiere jedoch eher gebremst, zieht sich die Entwicklung bis zur Köpenickiade im letzten Akt (nach der Pause) lange hin. Tilo Nest ist ein wunderbar verzweifelter arbeitssuchender, vorbestrafter Schuster. Diese Gestalt zeigt viele Facetten eines geschundenen Menschen. Das allgemein-menschliche Drama scheint im Mittelpunkt der Inszenierung zu stehen.
Doch darin hat das Stück, dem die Regie weitgehend wortgetreu folgt, nicht unbedingt seine Stärken – die Geschichte um Voigt, seine Schwester und deren sterbende Untermieterin ist beispielsweise arg kitschig geraten. Das witzige und zuweilen auch scharfe Spiel um bedingungsloses Kuschen und uneingeschränkte Verehrung des Militärischen und um den verzweifelten Wilhelm Voigt, der sich per ertrödelter Hauptmannsuniform kurzzeitig zum Herr des Städtchens Köpenick macht, funktionierte nur dann, wenn das preußische Ambiente, die historische Dimension dieses Zeitstückes von 1930, das auf eine wahre Begebenheit von 1906 zurückgeht, sichtbar würde. So aber kommt diese verallgemeinerte bittere Komödie trotz beeindruckendem Hauptdarsteller und eines guten Ensembles um ihn herum nicht wirklich im Düsseldorfer Schauspielhaus an.