In Weimar halten Regisseur und Bühnenbildner Christian Sedelmayer und seine Kostümbildnerin Elisabetta Pian die Szene zwischen den Ebenen und Zeiten in der Schwebe. In der bröckelnden Pracht von römisch roten Palast- oder Museumräumen. Mit einer schwarzen Wand, die sich ins Nichts öffnen oder mit himmlischen Lichtstrahlen verzaubern kann. Der Söldner Ruprecht hat einen Blaumann unterm Mantel und tippt die Visionen Renatas anfangs in eine Schreibmaschine. Der Alchimist Agrippia von Nettesheim tritt nicht nur in der Maske Einsteins auf, sondern steckt auch (ganz pop-artig) die Zunge raus. Beim surrealen Kampf Ruprechts mit dem feurigen Engel Madiel erscheint der als schwarzer Engel mit weißen Haaren und Silberflügeln aus dem Nichts. Der sich auf offener Szene verjüngende Faust (Remigiusz Lukomski) und sein kinderfressender Kumpan Mephisto (Frieder Aurich) kommen geradewegs aus Auerbachs Keller.
Im Kloster dann haben die sparsam als Renata-Doubles choreografierten Nonnen beinahe etwas Klinisches. Hier sind sie alle die „Patientin“ Renata und werden zum „Fall“ weibliche Sexualität. Der am Ende mit der Figur des hörigen Liebhabers verschmolzene Inquisitor löst die Angelegenheit so radikal wie klerikal patriarchalisch: mit dem Scheiterhaufen.
Sedelmeyer entscheidet sich auf dem Weg dorthin zwar nicht so recht zwischen entschlüsselbarem Beziehungsdrama, einem exemplarischen Diskurs über weibliche Sexualität in verschiedenen Zeiten und phantastisch historischem Spiel. Seine Mischung aber bringt es immerhin auf einen spannenden Theaterabend. Zumal Martin Hoff am Pult der Staatskapelle Weimar nicht nur die symphonisch eskalierenden Orchesterpassagen aufleuchten lässt. Er unterstützt auch in den handlungstreibenden, spannungsgeladenen Parlando-Szenen immer die Sänger in ihrem Bemühen, bei der ziemlich holprige deutsche Textversion nicht ins Stolpern zu kommen. Aus dem überzeugenden Ensemble ragen Renatus Mészár als konditionsstarker und eindrucksvoll gestaltender Ruprecht und die zwar mäßig verführerisch agierende aber stimmlich vehement auftrumpfende Kirsten Blanck als Renata heraus. Einhelliger Jubel für alle Beteiligten in Weimar!