Martin Theuer wird als Fritz Knobel zum skurrilen Dominator der "Schtonk!" - Uraufführung.

Der Fake um Hitlers Tagebücher

Helmut Dietl/Ulrich Limmer: Schtonk!

Theater:Württembergische Landesbühne Esslingen, Premiere:10.02.2018 (UA)Regie:Marcus Grube

Uraufführung: die Württembergische Landesbühne zeigt erstmals eine Bühnenfassung von Helmut Dietls Kultfilm „Schtonk!“

Fast konnte man sich auf einem Filmfest wähnen, Kameramann und Fotograf auf der Suche nach filmischer Prominenz wuseln durchs Foyer. Schon zuvor warb ein einsamer Intendant im Zuschauerraum in den Internetnachrichten für die Uraufführung von Helmut Dietls und Ulrich Limmers Film „Schtonk!“ von 1991. Die beiden Drehbuchautoren verbanden ihre Geschichte um den Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher, die der „Stern“ von Konrad Kujau aufkaufte, seinerzeit mit einer Kritik an den Beschaffungsmethoden der Medien. Im Mittelpunkt steht dabei der „schmierige“ Hermann Willié, der auf der Suche nach dem „Knüller“, der ihn von seinen Schulden erlöst, sich auf die grausliche Welt des ewigen braunen Sumpfs in der Bundesrepublik einlässt. Diese Götz-George-Rolle führt Oliver Moumouris als skrupelloser Opportunist und Egoist aasig vor, ein Stehaufmännchen, das am Ende, als seine Felle davon schwimmen, nahe am Rande des Wahnsinns agiert. Aber auch seine Pointe, dass,  wenn das Papier, auf dem die Tagebücher geschrieben sind, tatsächlich aus der Nachkriegszeit stammen, Hitler noch leben müsse, hilft ihm trotz  „Er ist wieder da“ nicht.

Marcus Grube, der auch Regie führt, hat die Bühnenfassung  eingerichtet und sich dabei eng an das Filmdrehbuch gehalten. Natürlich fallen die vielen Außenszenen mit verregneten Landschaften und Friedhöfen weg, dafür hat Frank Chamier eine Simultanbühne geschaffen:  auf der linken Seite ein Wirtshaustisch mit zwei Stühlen, rechts das Atelier des Fälschers Fritz Knobel mit allerlei Krimskrams, unter anderem eine Hitlerbüste, Darüber streckt sich ein Laufsteg, der abwechselnd als Schiff Görings, das Willié erworben hat, und als Redaktionsraum dient. Grube nutzt diesen Raum geschickt, er lässt simultan spielen oder die Szenen so überlappen, dass, während die eine noch spielt, die andere schon beginnt. Wo das nicht möglich ist, entwickelt die Regie slapstickhafte Choreografien zu bekannten Tanzmelodien von Walzer bis Tango. Das gibt der Inszenierung den Anschein einer temporeichen Revue. Aber da sich Grube so eng an die Dialogszenen des Films hält, wird das Tempo auch wieder ausgebremst. Mehr noch lädt die Inszenierung ein, ständig die Darsteller von Film und Bühne zu vergleichen.

Einer startet dabei sensationell durch: Martin Theuer als Uwe Ochsenknecht, pardon: Fritz Knobel. Mit pausenlosen Slapstick und blitzschnellen Emotionswechseln dominiert Theuer die Aufführung. Hinter dem Schein des Umtriebigen entsteht da ein Mensch, der selbst getrieben wird, eine Spielernatur, die eigentlich nicht aufhören kann, wenn da nicht seine Frauen wären, Sofie Alice Miller als Biggie und Nina Mohr überzeugend in der Veronica Ferres-Rolle der Kellnerin Martha. Sabine Bräuning als Freya von Hepp, der vorübergehenden Lebensgefährtin von Willié, zeigt die Noblesse einer Figur, die liebt, aber zugleich das Spiel der Männer durchschaut. Als sie spürt, dass ihr Freund verloren hat, inszeniert sie ihren  eigenen Abgang.

Das Esslinger Ensemble ist von den Typen her herausragend besetzt. Sie spielen ihre Chargen beeindruckend. Sei es Reinhold Ohngemach, sei es der schwäbische Ex-Kult-Moderator Wieland Backes als Gast, Frank Ehrhardt, Marcus Michalski, Christian A.Koch, Achim Hall, Felix Reiter oder Markus Michalik, sie alle sind von beeindruckender Präsenz. Obschon spielerisch überzeugend, bleibt doch ein merkwürdiger Nachgeschmack, der sich schon beim Ansehen des Filmvideos einstellte. Gerade im Zeitalter der sich ständig übersteigernden Fake-News wirkt „Schtonk!“ trotz des braunen Schlamms  seltsam altbacken. Die Aktualität, die laut Werbung des Theaters angestrebt war, stellt sich in dieser Geschichte, in der sich so viel  Geschichte  der alten  Bundesrepublik  spiegelt, nicht her. Da hätte Marcus Grube noch mehr zuspitzen, mehr Aberwitz entwickeln müssen und sich nicht so eng an das Drehbuch halten dürfen.