Foto: Antonia Marie Waßmund in "Hitlers Ziege" am Theater Altenburg-Gera © Ronny Ristok
Text:Tobias Prüwer, am 22. Januar 2023
„Nicht so ziehen!“ – Umständlich fingert Hitler dem Alten Fritz am Penis herum. Der rät: „Einfach den Mund aufmachen und ihn reinstecken.“ Der homoerotische Stellungskrieg bleibt ein Coitus interruptus. Und auch wenn die beiden sich schlußendlich doch physisch näher kommen, fasst die Szene den Kern des Abends: Es geht um Potentaten und Potenz, schwule Schrullen sowie Pippi auf der Bühne und in den Augen des Publikums. Das ist das Thema von Rosa von Praunheims Farce und wird von Damian Popp konsequent umgesetzt – mit allerlei szenischen Unterbrechungen.
Inhalt sind Spekulationen um Adolf Hitlers sexuelle Vorlieben, die Zahl seiner Hoden und seine Frauenverachtung. Szenen seiner vermeintlichen Kindheit und Penisverlust im Angesicht einer Ziege reihen sich Sexgeschichten mit Bediensteten. Im Himmel trifft er Friedrich den Großen, über dessen libidinöse Disposition Einiges zu erfahren ist. Beide schwärmen schließlich voneinander, von Schwulsein und Massenmord. „Wahre Liebe gibt es nur unter Kameraden“, könnte man das mit dem Slogan des Neonazis Michael Kühnen überschreiben.
Ausgangspunkt des Autors sind die vielen wissenschaftlichen wie medialen Diskussionen um Hitlers wahre Sexualität. Immer wieder wird von seiner angeblichen Perversität auf seine mörderische Politik geschlossen. Das zieht Rosa von Praunheim genüsslich durch die braune Soße. Der faschistische Körper wird obendrein zur Witzfigur. Auch Preußentum und Männlichkeitswahn erfahren Frontalangriffe. Auf der Bühne geschieht das allerdings ohne Brechungen.
Abgenutzte Klischees
Wenn rosa Uniformen und Gummidildos, Ritte auf der Ziegenwippe, hingewackelte Sexszenen und simulierte Wasserspiele für Lacher sorgen, wird einmal mehr Homosexualität als Lächerlichkeitsprinzip bedient. Natürlich wirken die grotesken Stelldicheins dieser Männer lustig, weil sie von vielen so hoch verehrt wurden (und werden). Aber das läuft sich auf Dauer nicht nur tot, sondern bleibt zu eindimensional. Selbst wenn sich Hitler gern anpinkeln ließ, ändert das nichts an der Bewertung seines politischen Handelns. Das mal auf Höcke verwiesen und „Arschlöcher für Deutschland“ skandiert wird, ist als Aktualisierungsversuch zu lau.
Da fehlt eine eine zweite Ebene. Ebenso absent ist ein dramaturgischer Zugriff: Kein Spannungsbogen, keine größere Klammer hält diese Nummernrevue mit Längen zusammen. Dass der Abend nicht abschmiert, liegt an den zwei famosen Darstellerinnen. Und daran, dass der Regisseur auf ihr Können vertraut. Antonia Marie Waßmund ist als junger Hitler in Sepplhose zwischen eigenem Geniekult und Wahnsinn groß. Mal hippeliges, aufgeregtes Kind, mal den tönenden Politiker vorwegnehmend, zeigt sie große parodistische Gabe. Umso erstaunlicher, dass Michaela Dazian nicht nur lustige Rollen um ihn herum spielt, sondern es ihr im zweiten Teil ebenso gelingt, den Diktator auf ihre Weise schillernd zu persiflieren. Beide zeigen genau herausgearbeitete Figuren, bei denen jede mimisch-gestische Übertreibung sitzt. Ihr Timing ist gut, die Spiellust schießt über, sodass der Abend zum fetzigen Schauspielerinnentheater gedeiht.