Die Bühne (Ausstattung: Anika Marquardt und Lani Tran-Duc) ist dominiert von einem üppigen Regal, in dem dutzendweise Krimskrams gelagert ist: Obst, ein Aufblaseinhorn, ein Kuchen, ein Bäumchen. Ein Sammelsurium, ein Durcheinander: Das ist denn auch das Strickmuster von Schmidts Stückentwicklung, die serviert wird wie ein saftiger Recherchehackbraten. Die Spieler sind zunächst lang in Erlangen unterwegs gewesen, haben Sozialeinrichtungen besichtigt, haben mit angepackt, recherchiert, Leute interviewt. „Agiles Theater“ heißt das wohl, nichts Theoretisches, was ganz Praktisches.
Weshalb zu Beginn auf der Bühne auch nur dann Licht brennt, wenn die Spieler einen Akku antreiben. Die Drei streiten über Müllvermeidung, über Spendenwilligkeit, über Ungleichverteilung, bleiben aber bei diesem Blabla-Theater nicht stehen, sondern schrauben sich kopfüber hinein ins Thema: Wie kann ich mit gutem Gewissen durchs Leben gehen? Kann ich das überhaupt? Es dreht sich ein Kaleidoskop von Texten und Formaten, es entsteht ein Querschnitt durch eine Stadtgesellschaft, von der Nachbarschaftshilfeorganisation bis zur Christengemeinschaft. In eingespielten Interviewbrocken und durch Beispiele ehrenamtlichen Engagements zeigt sich, wie sehr in der Gesellschaft ein Gespür vorhanden ist, dass etwas nicht richtig ist. Wie sehr der Markt den Menschen, sein Miteinander und seine Umwelt schädigt. Dass man etwas tun muss.
Alissa Snagowski als die Quirlige, Naive; Hermann Große-Berg als der Erfahrene, latent Grantige; Benjamin Schroeder als der Toughe, Belastbare: Die Spieler peitschen die Szenengemengelage munter durch wie einen Kreisel. Sie ironisieren ihre Rolle in dem Ganzen, auch das Konzept des Regisseurs, wie überhaupt Ironie eine starke Rolle spielt, so etwa in einem wirklich krassen Einspieler über „ethischen Fleischverzehr“. Die Dynamik segelt zwischen Witz und plötzlich aufwallenden Ernsthaftigkeistanfällen, ausgiebig werden auch Texte zum Thema zitiert, etwa von Thomas Assheuer, Ingrid Lausund und Heinrich Böll. Dessen „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ beendet einen Theaterabend, der beweist, dass und wie das Theater sich einmischen kann, darf und soll. Ohne Phrasen und Thesen, aber mit Lust und Leidenschaft.
Es ist sehr politisch geworden, das Theater, auch um Erlangen herum, auch in Bayern. „Früchte des Zorns“ in Ingolstadt, „europa vertreidigen“ in Bamberg, jetzt „Weltverbesserungstheater“ in Erlangen. Das ist richtig und wichtig und muss auch nicht permanent hinterfragt werden. Irgendwen erreicht’s immer. Hinaus aus der Verteidigungshaltung, hinein in die Offensive, ruft vernehmlich Schmidts Szenencollage. In der auch Friedrich Schillers „Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet“ zitiert wird. Mehr gibt’s zumindest dazu eh nicht zu sagen.
Weitere Vorstellungen: 29. April; 4./5./6. Mai; 4./5./8./9. Juli