Foto: Das Ensemble übt sich in "Formensport" © Ronny Ristok
Text:Tobias Prüwer, am 10. März 2019
Drei- und Rechtecke liegen an Körpern an, rundere Formen umspielen Leiber. Dann üben Menschen Maschinenbewegungen aus, werden zu Roboterwesen, zu Produktionsarmen. Die technische Vermessung des Menschen, der Mensch im Gestell seiner Technik: Das interessierte schon die Künstler vom Bauhaus. Und es ist das Thema der Doppelproduktion „bewegte. bauhaus. bilder“ am Landestheater Altenburg-Gera. In der Nebenspielstätte Heizhaus findet sich zu dieser Untersuchung auch der passende postindustrielle Rahmen eines ehemaligen Maschinenraumes.
Nicht Museum will der Abend sein, sondern sich mit dem Bauhaus künstlerisch beschäftigen und nach seinem Potenzial für die Gegenwart befragen. Das gelingt nur bedingt. Gerade der erste Teil fällt hier ab. Denn die Auseinandersetzung mit Wassily Kandinskys „Modest Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung“ hat mit Theater nichts zu tun. Kandinksy hat den vertonten Galeriebesuch als assoziativen Reigen mit Mitteln seiner abstrakten Formensprache gestaltet, in ein Verschieben von Flächen und Körpern, bei dem Figürliches nur sparsam stattfindet. Was beim Bauhauskünstler mit Seilzügen, Apparaten und Muskelkraft über die Bühne gebracht wurde, geschieht in Altenburg als projizierte Computeranimation (Video: Karoline Hoffmann). Man sieht einen unaufwendig zu nennenden Film à la Powerpoint-Präsentation, wozu Yuka Beppu live am Klavier Mussorgskys Musik spielt. Eine Filmvorführung mit Untermalung, der alles Theatrale fehlt – als Kino taugt der leere Bühnenraum leidlich. Weit hinten hängt die zu winzige Leinwand, die Musik kommt aus einer Richtung. Das gleicht im Youtube-Zeitalter einer digitalen Fingerübung. In einer Zeit, wo Animation für viele Regisseure zum Pflichtprogramm auf der Bühne gehören, hat das etwas Laienhaftes, das auch Kandinskys Arbeit leicht ins Lächerliche zieht.
Nach der Pause wird ein anderer Zugriff sichtbar, wird der mit „Formensport“ benannte Teil des Abends tänzerisch. Für seine Choreografie ließ sich Torsten Blume nur leicht von Kurt Schmidts „Mechanischem Ballett“ inspirieren. Menschen und Geometrie werden zur Maschinenbefragung unter vorwiegend aus Rauschen und Einzelklängen bestehenden Komposition (Musikalische Leitung: Burkhard Schlothauer). Zunächst sind acht Performer damit beschäftigt, ihre Körper mit verschiedenerlei Formen verschmelzen zu lassen. Wie harte Schnitte wirkt ein immer wieder angelegtes Zirkelmaß, weich oszilliert eine Spirale um ihre Führerin. Nach dieser Art Objekttheatertanz tritt ein Trio in mehreren Szenen auf. Mal üben sich nur ihre Körper in abstrakten Bewegungen, die an Maschinen erinnern lassen. Mal schieben sie Objekte aus Schmidts Arsenal über die Bühne, türmen sie auf und setzen ihre Körper dazu ins Verhältnis. Gelegentliche Projektionen greifen die geometrischen Figurenspiele auf. Weil eine Dramaturgie fehlt und sich diese lockeren Assoziationsetüden über eine Stunde dehnen, fällt hier allmählich die Spannung. Und gemessen am modernen Performance-Tanz wirken die Bewegungsmuster dann doch zu artifiziell und mit wenig Physis vorgetragen – und ja: auch ihnen haftet etwas Museales an.
Vielleicht ist das Bauhaus selbst noch zu präsent, als dass uns heutige Aktualisierungsversuche etwas zu sagen haben. Das lässt unter anderem am Abend in Altenburg feststellen. So sehr es auch löblich ist, kein Museum im Bauhausjahr daraus zu machen, zu wenig Überraschendes ist insgesamt in den Versuchen zu entdecken. Die Formen, mit denen man damals hantierte, sind längst in Architektur und Design Alltag geworden, Kandinsky-Kunstdrucke bietet jeder Möbelmarkt an. Da ist es schwer, dem Spiel von Quadrat und Kreis neues Potenzial zu entlocken.