Text:Dieter Stoll, am 15. Februar 2013
Spiel oder Wahrhaftigkeit, Glamour oder Kunst , Sex oder Seele – sind das unüberbrückbare Gegensätze? Für Marilyn Monroe, so wird es seit ihrem frühen Tod in mehr oder minder andächtig geknüpften Endlosschleifen auf allen Medien-Ebenen reproduziert, muss der Widerspruch ein Schicksalsschlagwerk gewesen sein. Was ganz schnell als Stoff für Legendenbildner und Rohmaterial für Poeten verarbeitet wurde, hallt 50 Jahre später immer noch nach. Die Nürnberger Schauspielerin Adeline Schebesch, die zwischen “Minna von Barnhelm” und “Vagina-Monologe” die Bühnenliteratur schon in vielen Varianten erfolgreich ausgereizt hat, nahm den Abglanz der Hollywood-Diva wie ein ewiges Licht am Altar des Nachruhms wahr. Und obwohl doch alles von vielen längst gesagt wurde – Affären und Mordkomplott und “Happy Birthday, Mr. President” inbegriffen – ist ihr Blick auf die Kollegin ein besonderer. “Letzte Stunde(n)” steht über der Produktion in der BlueBox des Nürnberger Schauspiels, die auch ein Drama sein könnte, aber eben nur “Ein Abend über Marilyn Monroe” sein will.
Auf der Bühne ein breites Bett vor der Projektionswand. Ehe die Darstellerin die Szene betritt, haben bereits Filmschnipsel und Doku-Aufnahmen den Ton angeschlagen. Auch Sugars Schmollmund aus “Manche mögens heiß” gehört dazu, bis heute die ungeschmälerte Aufwertung jedes noch so späten TV-Programms, und wenn Adeline Schebesch in die Rolle der privaten Marilyn am Tag X 1962 geschlüpft ist, wird sie hasserfüllt über diesen Geniestreich ihrer Selbstbespiegelung reden. Ein Star wollte sie sein, aber einer, der über das selbst gefertigte Klischee hinaus ernst genommen wird. Die Schebesch zeigt das, stärker als in ihrem eigenen, gelegentlich allzu heftig um Bedeutung ringenden Text, mit suchenden, beschwörenden Blicken und sich ständig widersprechenden Gefühlen. Strahlendes Gelächter verlöscht im Zusammenbruch, aus Verzweiflungsgestik steigt Trotz mit angehängter Selbstzerstörung. Man sieht das feinfühlig ausgeleuchtete Porträt einer Ausnahmeerscheinung, die ihre eigenen Möglichkeiten gleichzeitig unter- und überschätzt.
Als Gegenspieler tritt ein Mann aus der Grauzone des Patriotismus auf (Dan, von Daniel Scholz messerscharf gespielt, schaut als Vertreter der strammen Politik angewidert auf das Leben und Lieben der Andern, das er für einen Blondinenwitz hält) und provoziert die Kino-Diva zu Bekennermut für ihren Lieblings-Kennedy. Oder waren gar zwei, John und Robert, im Spiel? Da gerät die Aufführung (Regie: Frauke Busch) etwas ins Trudeln, denn sie kann sich nicht dazu durchringen, das für piepegal zu erklären. Da sie weder über Arthur Millers verschlüsselte Insider-Poesie verfügt noch über die literarische Kraft von Gerlind Reinshagens damaliger Ferndiagnose über “Leben und Tod der Marilyn Monroe”, bleibt “ein Abend über…” quasidokumentarisch an den Vermutungen über Mord oder Selbstmord kleben. Zuvor, im Wutausbruch gegen den Umgang einer bornierten Männerwelt mit ihrem Erotik-Geschöpf nach Macho-Maß, blitzen starke Momente auf – wo Marilyn nicht nach Tabletten grapscht, sondern kurz vor ihrem Tod mit selbstverfassten Gedichte voller Verzweiflung die Ignoranz attackiert. Da gelingt Adeline Schebesch, die optisch der Legende sehr nahe kommt, tatsächlich der Durchbruch zur Hommage an eine Frau, die auch im Pin-up kein Abziehbild sein wollte.