Doch für der Tragödie ersten Teil reichen Stemann drei hervorragende Darsteller auf leerer Bühne. Rudolph bestreitet die erste Stunde ganz allein. Wenn dann für die restlichen gut anderthalb Stunden Philipp Hochmair und Patrycia Ziolkowska dazukommen, sind sie auch Faust und auch Mephisto und auch Gretchen. „Faust I“ als Monolog und Faust in Doppelung und Trippelung: Das funktioniert so gespielt und gesprochen erstaunlich gut – und erstaunlich unterhaltsam. Die Videoprojektionen sind dabei so wenig zwingend wie der Tänzer (Franz Rogowski) und die Mezzosopranistin (Friederike Harmsen), sie ergänzen aber das Bild eines Panoptikums.
Auch der zweite Teil beginnt mit einer Distanzierung. Barbara Nüsse stellt sich als Goethe, den Autor „dieses grossartigsten Texts deutscher Sprache“, vor und droht, wie nach ihr diverse Mephisto-Figuren, damit, dass „ungestrichen“ alle 12110 Verse gespielt werden – ja werden müssen, um die Intentionen des Stücks klar zu machen. Was dann folgt, ist allerdings zuerst näher an einer aktualisierenden Revue als an sklavischer Textabarbeitung, in die der tatterig-senile „Postdramatiker Goethe“ (Hochmair: „Ich war dabei, als einst Klassiker mit Video kombiniert wurden!“) ebenso Platz findet wie Seitenhiebe auf die Festspiele und ihre Hofdichter.
Die Geldszene dreht Josef Ostendorf zur holzhammerartigen Wirtschaftskritik (inklusive dem vorgesehenen und dann ausgeladenen Eröffnungsredner Jean Ziegler) mit Protestchor und Sponsorenlogs. Homunculus ist ein junger Mensch auf der Suche nach seiner Herkunft und seinem Ziel – kein Kunstmännchen, sondern eine weitere Verkörperung von Fausts Grundproblem. Soviel ist (auch von den hintern Reihen) erkennbar, sonst lösen sich diese ersten zwei Akte des zweiten Teils immer mehr im Gewusel von Statisten und bizarren Puppen von „Das Helmi“ (und eben: dem Regisseur) auf. Die Verwirrung ist sicher Programm, gleichwohl wirkt die Inszenierung hier noch wie eine relativ frühe Probe.
Groß dann der Bruch zum Helena-Akt, der trotz modernem Kinderspielplatz für Euphorion klassisch, ja ziemlich brav exekutiert wird (Rudolph und Ziolkowska), bevor im letzten Teil nochmals die ganze Bildphantasie entfaltet und auf Videos mit Vorträgen über Faust und comicartige Live-Bebilderung ausgeweitet und – ja, hier jetzt schon – auch ausgewalzt wird, so dass man auf den zwar neu gepolsterten, aber doch harten Bänken die acht Stunden Sitzen doch zu spüren beginnt. Relativ spät allerdings. So problematisch vieles ist, je länger die Vorstellung dauert: Der offene Umgang macht deutlich, dass „Faust II“ nicht zu bewältigen ist. Warum also nicht so?