Ensembleszene

Das erste Mal

Karen Köhler: ER.SIE.ES.

Theater:Badische Landesbühne, Premiere:24.09.2016 (UA)Regie:Joerg Bitterich

Verändert sich im Zeitalter des Smartphone und des Internet die erste Begegnung zwischen den Geschlechtern? Wie geht die „Generation Porno“ mit ihren Bildern um, wenn sie in einen wirklichen Kontext gestellt werden? Wird überhaupt noch ein Unterschied zwischen Virtualität und Realität erfahren? Diese und andere Fragen untersucht Karen Köhler in ihrer Auftragsarbeit „ER.SIE.ES.“ für die Badische Landesbühne. Um es vorwegzunehmen, auch, wenn „Likes“ und gepostete intime Fotos die erste Begegnung begleiten, so viel hat sich an den emotionalen Ängsten und Eitelkeiten denn doch nicht über die Generationen verändert. So könnte man die Geschichte von Dennis und Charlotte als banal bezeichnen, eine Alltagsgeschichte eben, wenn nicht Karen Köhler mit einer sympathischen Wärme von ihren Figuren erzählen würde. Mehr noch ermöglicht ein dramaturgischer Trick eine Verfremdung, die weit über die subjektiven Befindlichkeiten von Dennis und Charlotte hinaus weist. Jede der beiden Akteure wird von je drei Männern und drei Frauen gespielt. Darüber hinaus werden sie chorisch gesprochen, eine Form, die noch nicht oft in den jungen Theatern der Republik anzutreffen ist.

In seiner Uraufführungsinszenierung an der Badischen Landesbühne nimmt Joerg Bitterich die Steilvorlage von Karen Köhler an und entwickelt mit seinem spielfreudigen Ensembles ein starkes chorisches und choreografisches Theater. Silvio Motta hat dazu einen nur durch verschiedene Podeste gestalteten Raum geschaffen, bis auf eines alle in Weiß, nur eines strahlt in einem tiefen Rot. Darüber hinaus steht hinten rechts eine Lichtsäule. Die Grundkostüme sind in Schwarz gehalten. Die Männer tragen schwarze Röcke und graue Kapuzenwesten, die Frauengeschwungene Röcke und haben über die Schultern weinrote Tücher geschwungen. Man agiert jeweils als gemeinsame Gruppe durch den Raum, in genauen Schrittmustern. Das chorische Sprechen (Chorleitung: Hennes Holz) gelingt bestens. Lisa Bräuniger, Julia Kemp und Norhild Reinicke als Charlotte, wie auch Frederik Kienle, Tim Tegtmeier und Markus Wilharm als Dennis gelingt es, jeweils im Kollektiv zu verschwinden und zugleich ihrer Figur ganz individuelle Züge zu geben. Dadurch entsteht auch eine Leichtigkeit, die Platz macht für leise komische Situationen, die das Publikum sichtlich genießt.

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Nun findet sich schon im Text von Karen Köhler nach der ersten wirklichen sexuellen Begegnung ein Bruch, als sie das Prinzip des Kollektivs aufbricht und jeweils eine Figur heraushebt, die entdeckt, dass sie kein Sie, bzw. Er ist, sondern ein Es und die Autorin jeweils eine von den drei Figuren dem anderen Geschlecht zuordnet. Weil die Botschaft wichtig für junge Menschen, aber doch zugleich überdeutlich ist, wirkt das am Ende ein wenig moralisch. Joerg Bitterich treibt diesen Bruch voran, als er zunächst alle Spieler durcheinander sprechen lässt, bis es mir als Zuschauer weh tut, weil auch nur einzelne Worte zu verstehen sind. Anschließend lässt er die Kleider tauschen, die Mädchen spielen Jungs und umgekehrt. Die Inszenierung wird da noch deutlicher als der Text. Das ist schade, denn es macht einen ungeheuren Spaß, diesen Bruchsaler Schauspielern zuzuschauen. Und das Stück von Karen Köhler wird seinen Weg machen.