Foto: "Komödie mit Banküberfall" in Nürnberg © Konrad Fersterer
Text:Dieter Stoll, am 21. Oktober 2018
„Ist er rabiat?”, will einer der Gauner über die Kampfkraft des Gegners wissen. „Nein, er ist kein Rabbi, er ist Katholik“, antwortet ihm sein Partner. Muss man sich erst mal trauen, so einen Dialog. In der diesbezüglich also mutigen Deutschland-Premiere der britischen „Komödie mit Banküberfall“, die auf alle Fälle das Ideal erfüllt, schon im Titel unterzubringen, was man mitzuteilen gedenkt, gibt es reichlich Nachschlag von dieser Qualitätsklasse. „Schikanieren?“ „Mein Vater ist Metzger, ich schicke gerne Nieren.“ Es geht eigentlich um die Planung eines Raubzugs in der US-Provinzbank mit 67jährigem Praktikanten (späte 1950er Jahre, Cha-Cha-Cha, Rock`n Roll, eine Elvis-Gedächtnisnummer ist unvermeidlich), wo unter Beteiligung aller auftretenden Personen der Millionen-Diamant geklaut werden soll, den eigentlich ein ungarischer Prinz abholen will – aber das ist egal. Alles andere auch. Beispielsweise das Bekenntnis einer Angestellten: „Was ich aufm Strich verdiene, äh, unterm Strich.“
„Turbulenten Unfug á la Monty Python“ hat das Nürnberger Theater mit der ziemlich deutschen Adaption des britischen Lustspiel-Erfolgs angekündigt, und damit eine Symbiose von Verheißung und Schutzschild geschaffen. Die erweckte Lust auf eine späte Ehrenrunde des legendären Flying Circus, vom Autoren-Trio des Mischief Theatre aus London mit begehrlichen Seitenblicken auf den mehr oder weniger geordneten Nachlass der Marx Brothers sowie von Abbott und Costello unterfüttert, ist gleichzeitig der Rückzug aufs umzäunte Improtheater-Biotop, in dem der Kalauer-Wildwuchs unter Naturschutz steht. Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields sind als Team feste Juniorgrößen im Königreich der Comedy-Majestäten, spezielle Handwerksburschen dieser Spontan-Kleinkunst, und klopfen zur Stabilisierung des wankenden Humors alle Pointen zur Sicherheit mit dem großen Hammer fest. Zusammen mit den deutschen Übersetzern Maria Harpner und Anatol Preissner, die bei ihren Ergänzungsabgaben die sachkundige Hymne vom „Ba-Ba-Banküberfall“ offenbar schlichtweg übersehen haben, rührten also fünf Autoren in der Suppe, und ihre gemeinsame Erfahrung lautet, dass es bei einer Kette von Sketchen nicht immer Perlen sind, was da klimpert. Aber: Fröhliches Scheitern ist kein beklagenswertes Unglück, sondern nun mal die Philosophie dieser Truppe, die damit bereits zum weltweit gebuchten Exportartikel geworden ist. Brexit hin oder her, das Böse lacht immer und überall.
„Okay, ihr Drecksäcke“, ruft es in den Raum, und der Jux kann beginnen. Hinter Gefängnisgittern aus Knetgummi mit durchscheinendem Show-Himmel planen Wächter und Gauner im vereinigten Spalier den großen Raubzug. Spezialagenten stoßen dazu, Trickbetrüger und Bankdirektoren tun ihre schwer unterscheidbare Pflicht, die Kassiererin am Schalter verlangt vom maskierten Räuber das rosa Auszahlungsformular. Ein Trottel mit Chloroform-Ausrüstung betäubt nach dem Zufallsprinzip, alle rennen gegen Wände, werden niedergeschlagen oder vom Klappbett eingeklemmt und ein Sortiment unwahrscheinlichster Klebebärte in Unter- und Über-Größen begleitet uns kitzelnd durch den Abend, bis der schlimmste Verbrecher seine Opfer gnadenlos abknallt – nicht ohne sie zur anschließenden Premierenfeier einzuladen. Der nackte Wahnsinn. Ach nee, der ist es leider wirklich nicht.
Regisseur Christian Brey, ein Mann mit bewegter Vergangenheit in der Harald-Schmidt-Show, mag auch in der Theatergegenwart die Grauzone zwischen Persiflage und Imitation. Entlarvt wird da nichts und niemand, jeder reingeschriebene Witz über real existierenden Finanzbetrug verpufft durchschlagend wirkungslos. Wenn Brey die reichlich eingepflanzten Filmzitate ausbaut (die Rentner-Gehhilfe im öffentlichen Verkehr kennen wir nicht nur von Monty Python, nein, auch von „Mord mit Aussicht“ – gibt das Extra-Punkte?), darf es der Zuschauer immer als Einladung zum Ratespiel verstehen, als Prösterchen zur Party-Charade. Ansonsten setzt die Inszenierung auf den Akrobatiktrainer Ingo Schweiger, der das sportive Zehn-Personen-Ensemble sogar die Wände hoch jagt. Die Schauspieler mit Maximilian Pulst (Taschendieb nach Slapstick-Modell) und Lea Salfeld (Trickbetrügerin mit tickender Bombe um den Baby-Bauch) an der Spitze sind allesamt noch besser gelaunt, noch höher motiviert und noch lauter gestimmt als die Zuschauer, deren sachkundiger Teil womöglich verstummend darüber nachsinnt, ob der krähende Bankdirektor mit dem Wichtigtuer-Gen (Pius Maria Cüppers) wirklich Klaus Breimann heißt, oder doch mit voller Absicht nur so ähnlich.
Am Ende wird die Kassiererin der Minneapolis City Bank (Vertrauensbeweis für Adeline Schebesch, sie darf exklusiv für Nürnberg einen Scherz über Fürth machen) den balzenden Polizisten mit seinen eigenen Handschellen ans Heizungsrohr ketten und mit dem erbeuteten Diamanten abmarschieren. Warum auch nicht! „Alles nur Gauner in dieser Stadt“, ruft sie dann in den Saal. Muss man wohl noch mal drüber nachdenken. Wer die Beurteilung von „Komödie mit Banküberfall“ womöglich etwas „barsch“ findet, sei auf die Autoren zurück verwiesen. Sie reagieren im Dialog auf einen Vorwurf in dieser Formulierung mit der Antwort: „Ich mag Fisch.“