Foto: Thomas Braus und Juliane Pempelfort in "Das Ministerium" in Wuppertal. © Uwe Stratmann
Text:Andreas Falentin, am 13. Januar 2012
Im kleinen Schauspielhaus steigt zu den ersten Takten aus Wagners „Rheingold“ blauer Nebel auf. Eine Stimme ruft aus: „Ja, unser Land ist schön!“ Drei Frauen und ein Mann treten auf, in lustigen blauen Baumwolloveralls, und zwängen sich in vier enge Arbeits- und Wohnzellen. Sie sind der kasernierte Thinktank des „Ministeriums für Integration“. Ihre Hauptaufgabe besteht eigentlich im Abfassen von Statements und Verordnungen mit möglichst kompletter Fettnapfvermeidung. Jetzt hat ihr Minister gewechselt und der Neue verlangt nichts weniger als die abstrakte „Lösung“ des unendlich vielfältigen Problems.
Schnell entspinnt sich ein ironisch verspieltes, aber nie versponnenes vierköpfiges Ringen um den Umgang mit Migration und Assimilation, mit allem, was heute zu einem derartigen Prozess gehört: Angst vor Verantwortung und Entscheidungen, Ichbezogenheit und die Sucht nach Selbstverwirklichung, Sehnsucht nach „echter“ Kommunikation, Angst genau davor, Emotionalisierung durch visuelle Medien und die Flucht in virtuelle Utopien („Je mehr User, desto intelligenter der Schwarm“). Hal, der Mann, präsentiert gar ein Computerspiel als Lösung aller Probleme, das entscheidend zur Verbesserung von sozialer Orientierung und politischem Bewusstsein beitragen soll. In den komplexen gesellschaftlichen und ethischen Verflechtungen der Spiellevels des Prototyps verlieren sich die vier und verstummen.
Kai Schubert, mittlerweile fast eine Art Hausautor an den Wuppertaler Bühnen, verlinkt das sensible Thema klug, und oft beißend witzig, mit der allgemeinen Sinn- und Gesellschaftskrise. Dabei weist er die Verantwortung nicht nur „denen da oben“ zu, sondern traut sich, auch dem „normalen“ Staatsbürger wortgewaltig und charmant den Spiegel vorzuhalten. Befremdlich wirkt, abgesehen vom gelegentlich etwas wohlfeilen Humor, allein der halbgare Versuch mythischer Überformung. So hat Schubert seine Frauenfiguren mit Schicksalsbegriffen aus Aristoteles‘ Dramentheorie benannt und versucht den Lösungsversuch halbironisch zu überhöhen, indem er ihn genau eine Woche währen lässt.
Über weite Strecken führen Juliane Pempelfort, Anne-Catherine Studer, Julia Wolff und Thomas Braus die enthusiastische Orientierungslosigkeit ihrer Figuren variantenreich und bezwingend vor. Ihre locker, aber zielsicher gefügten Szenen laufen mehrfach auf Monologe zu, denen die ansonsten metiersicher und rationell inszenierende Jenke Nordalm den erspielten doppelten Boden entzieht, um den Appellcharakter zu betonen, ein Verfahren, das dem Text nicht unbedingt angemessen scheint, seine Wirkung aber kaum schmälert.