Foto: "Homevideo" am Theater Regensburg © Martin Kaufhold
Text:Manfred Jahnke, am 31. Mai 2016
Jakob (15 Jahre alt) ist ein ganz nomaler Junge, er spielt Gitarre, fährt gerne Fahrrad und arbeitet gerne mit seiner Videokamera. Und er ist in der Pubertät, verliebt in Hannah. Da drängen sich sexuelle Regungen auf, die nicht immer so leicht zu beherrschen sind. Und das wird ihm zum Verhängnis, denn er filmt sich selbst beim Onanieren. Das wäre nicht so schlimm, wenn die Mutter die Kamera nicht an Erik verleihen würde, der zusammen mit Henry den Clip entdeckt.
In „Homevideo“, von Can Fischer nach dem Drehbuch von Jan Braren für die Bühne eingerichtet, wird die Dynamik des Cybermobbing vorgeführt. Ein Anstoß reicht, die Opfer und Täter gemeinsam in den Strudel reißen, Drohung, Erpressung, den Film ins Netz setzen, kurz: die totale Demütigung, die am Ende Jakob keinen anderen Ausweg als den Selbstmord lässt. Erschreckend darüber hinaus ist die Kommunikationslosigkeit, die zwischen dem Jungen und den Eltern herrscht, die in der Trennung begriffen, mehr mit sich selbst beschäftigt sind. Diese Vorgänge werden in der Inszenierung von Mia Constantine am Jungen Theater Regensburg sensibel herausgearbeitet. Dass das Ensemble gemeinsam ein von der Jugendschutzstelle ausgearbeitetes Cybermobbing-Planspiel gemacht hat, spürt man in jedem Moment dieser Aufführung. Insbesondere Marcel Klein führt als Jakob mit großer Intensität die Verwandlung eines normalen Jungen, mit dem sich weite Teil des Publikums identifizieren können, in das ohnmächtige Opfer vor, das über die Scham bis hin zur totalen Verletztheit alle emotionalen Schattierungen zeigt. Sein Gegenspieler, Henry, den Stephan Hirschpointner voll aasig anlegt, ein cooler Typ, der Macht über andere ausüben möchte. Franziska Plüschke als Hannah versucht mit zarten Gesten Jakob zu helfen. Sie führt dabei vor, wie Ratlosigkeit in Resignation umschlägt. Die Eltern werden von Frerk Brockmeyer und Silke Heise anfangs sehr hysterisch angelegt. Sie finden dann im Laufe des Spiels zu sehr genauen Gesten ihrer Hilflosigkeit.
Auch das Bühnenbild von Michael Lindner setzt das Zimmer des Jakob in das Zentrum der Bühne, ein Kasten, der nach hinten transparent ist und während des Spiels, wenn die Situationen für den Jungen immer bedrohlicher werden, immer weiter nach vorne geschoben wird und ihm den Handlungsraum immer weiter beschneidet. Links von diesem Kasten steht ein Sofa für den Raum der Eltern, rechts ist das Zimmer von Hannah, auf und vor dem Kasten sind Plätze im Freien. Auch durch diese klug ausgeleuchteten Spielorte entsteht eine Dynamik, die in ihrer Rasanz der des Mobbing entspricht und eine starke emotionale Wirkung erzeugt. Sicher hängt diese auch damit zusammen, dass es Mia Constantine gelungen ist, ein starkes neunköpfiges Ensemble zusammen zu bringen, dass sich aus den Mitgliedern des Jungen Theaters Regensburg, des großen Hauses, Jugendclub und gecasteten Jugendlichen zusammensetzt. Eine starke Inszenierung, die während der Bayerischen Theatertage, die noch bis zum 10. Juni in Regensburg stattfinden, herauskam.