Foto: Ensembleszene © Volker Beinhorn
Text:Andreas Berger, am 4. Dezember 2015
Man plappert viel und streichelt den Mops. Das England der 18. Jahrhundertwende stellt sich in Jane Austins satirischen Upper-Class-Geschichten als endlose Folge von Fünf-Uhr-Tees dar, bei denen die Heiratsaussichten der armen und reichen Anverwandten durchgehechelt werden. Die wahren Gefühle der jungen Leute sind dabei nicht gefragt und führen reihenweise zu unglücklichen Ehen oder skandalträchtigen Affären. Was dem Fünf-Uhr-Tee wieder neuen Stoff gibt.
Jonathan Dove hält sich in seiner Opernfassung von Austins „Mansfield Park“ leider ziemlich viel mit dieser plappernden Oberfläche auf. Die deutsche Erstaufführung seines Stücks am Staatstheater Braunschweig wird bestimmt vom Staccato des vierhändig gespielten Klaviers, das den Dialogen und Ensembles der Figuren den Takt schlägt. Publikum und Darsteller sind dafür auf der Bühne des Großen Hauses vereint, deren etwas hallige Akustik die Wortverständlichkeit dieses Dauerparlandos nicht gerade einfacher macht. Sitzt man in der Nähe des Klaviers, behält dieses die Oberhand. Kommen einem die Sänger auf ihren Wegen zwischen dem ebenerdigen Salon und dem imaginären Park im Rücken des Publikums näher, meint man dagegen selbst ins Gespräch mit einbezogen zu sein, so brillant klingen die Stimmen.
Doch Janna Isabell Meder, Regieassistentin am Haus und mit der Inszenierung betraut, hat leider darauf verzichtet, den ungewöhnlichen Spielort wirklich als Raumbühne zu nutzen, die Zuschauer konsequent zwischen Tische, Sessel und Sofa zu platzieren und somit quasi an der Gesellschaft teilnehmen zu lassen. Stattdessen arrangiert sie recht brav die Dialogsituationen, versetzt ins ca. 19. Jahrhundert mit Cocktailgläsern. Endlich muss der alte Effekt her, minutenlang Blätter mit Briefzeilen emotionaler Geständnisse auf die Zuschauer niederregnen zu lassen. Doch diese Gefühle, gerade die uneingestandenen, in spannenden Begegnungen der Figuren sichtbar werden zu lassen, gelingt Meder nicht. Wie erotisch war die Welt von „Wuthering Heights“ in Philipp Kochheims Inszenierung aufgeladen!
Die wunderbare Solen Mainguené wirkt auch hier mit und trägt als Eindringlingin Mary Crawford auch hier eine erotische Spannung in sich, die immerhin den verklemmten Pfarranwärter Edmund (Malte Roesner) als Sohn des Hauses zum Glühen bringt. Doch die Regie lässt alles unter der Etikette. Wie’s da drinnen aussieht aber, würde uns in einer Oper interessieren. Zumal Doves Musik durchaus manchmal lyrische Unterbrechungen zur Selbstbestimmung zulässt. Und etwa Solen Mainguené mit ihrem herrlich leuchtenden Sopran einige aus feinstem Piano heraus sinnlich anschwellende Töne wagt.
Häufig sind solche psychologischen Entdeckungen aber bei Dove nicht. Seine Musik ist so mit der Textbewältigung beschäftigt, dass das Unterschwellige nicht zur Geltung kommt. Den satirischen Charakter des Parlandos bedient andererseits die Inszenierung nicht. Trotz der genüsslich den (zunächst nur imaginären, am Ende echten) Mops streichelnden Anne Schuldt als Lady Bertram.
Am ehesten gelingen Dove die Gefühlsarien der armen Verwandten Fanny, die trotzdem die reiche Partie mit dem aufschneiderischen Henry Crawford ablehnt. Und letztlich mit Erfolg auf den nur zeitweise durch Mary von ihr entfremdeten Edmund hofft. Milda Tubelyte darf hier wie Effie Briest auf einer Schaukel über dem Publikum schweben und sich mit ihrem substanzvollen, weichen, still glühenden Mezzosopran aussingen. So gelingt ihr sehr anrührend das Porträt einer (auch stimmlich) nicht auf äußere Effekte, sondern aufs Menschliche gerichteten Persönlichkeit. Zu der sich Edmund am Ende wieder bekehrt. Malte Roesner singt ihn mit weichem, in der Höhe etwas nasalem Bariton.
Im durchgehend gut besetzten Ensemble gelingt Michael Ha ein schön dezent komisches Porträt des verträumten Heiratsaspiranten Rushworth. Und Michael Pflumm punktet als Dandy Henry mit tenoralem Glanz. Souverän gibt Johanna Motter am Pult die Einsätze. Unermüdlich klackern Samuel Emanuel und Thomas Williams am Klavier den treibenden Beat. Mit zwei schönen Weitungen: dem sich weich öffnenden Ensemble zur Sternennacht. Und dem in schöner Vielstimmigkeit gesungenen Fazit: Lasst uns lachen, leben, wenn’s geht auch lieben. Von dieser Stimmung hätten wir in der Inszenierung gern mehr gesehen.
Der Applaus am Ende war stark, nicht überschwenglich, trotz anwesendem Komponisten. Mancher war zur Pause gegangen. Bislang hat Braunschweig bei seinen Ausgrabungen mit Stücken wie Argentos „Poe“, Hubays „Anna Karenina“ und Hermanns „Wutherin Heights“ großen Erfolg gehabt. Bei dieser Produktion ist der Ausgrabungsertrag eher mäßig.