Foto: Szene mit Jakob Walser, Markus Haase und Philipp Werner © Uwe Stratmann
Text:Andreas Falentin, am 27. April 2014
Kritik zu „Viel Lärmen um nichts“ Komödie von William Shakespeare in Wuppertal
Eine ungewöhnliche Konstellation: Ausgerechnet mit seiner letzten Inszenierung erfüllt der scheidende Schauspielintendant einen Wunsch des Orchesters. Der 21-jährige Erich Wolfgang Korngold schrieb seine Bühnenmusik zu „Viel Lärmen um Nichts“ 1918 auf Wunsch Max Reinhardts. Es ist, historisch betrachtet, innovative Unterhaltungsmusik, Tonfilmsoundtrack vor Erfindung des Tonfilms. Tobias Deutschmann und das Sinfonieorchester Wuppertal gehen liebevoll, geradezu zärtlich damit um, artikulieren samtweich, finden fast kammermusikalische Helligkeit neben augenzwinkernder Illustration und wirkungsstark gestufter Dynamik.
Dennoch scheint diese Musik Christian von Treskow verunsichert, zumindest misstrauisch gemacht zu haben. Seine Inszenierung hat einen Zug ins Überdeutliche. Die Bühne ist ein Schwimmbad, Stätte der Begegnung, mehr noch Ort des Sich-Nicht-Verstecken-Könnens. Dazu tragen die Schauspieler sämtlich Bodysuits und Clown-Outfits, sind also permanent maskiert. In diesem Setting legt der Regisseur die Motive der Figuren, ihre ständigen Verstellungen, ihre Ticks und Gelüste fast mit dem Seziermesser bloß – und taucht sie dabei in unnötig helles Licht. Wir sehen sämtlich selbstsüchtige Popanze und -innen, die ihre Mitmenschen hauptsächlich wahrnehmen, wenn sie sie für ihre eigenen Zwecke einspannen wollen. Empathie mit den Figuren, sonst eine große Stärke dieses Regisseurs, fehlt über weite Strecken. Melancholie, die Kernstimmung englischer Renaissancekunst – und auch im Programmheft sehr präsent –, kommt nicht einmal in ironisierter Form wirklich vor. Dass diese Figuren, aus Gründen gesellschaftlicher Hierarchien oder persönlicher Eigenheiten und Defekte, alle einsam sind, auch nicht. Wo kein Ernst, da ist auch wenig Witz. Das präzise exekutierte Gag-Feuerwerk zündet nur manchmal. Zu oft fehlt die Fallhöhe. Und manchmal sogar die Penetranz.
Christian von Treskow hat in Wuppertal mit „Die Kontrakte des Kaufmanns“, „Trilogie der Sommerfrische“ und „Maria Stuart“ fantastische Inszenierungen erarbeitet. Er hat die Texte genau gelesen, ihre Relevanz lebendig herauspräpariert und den Stücken doch ihr Geheimnis gelassen. „Viel Lärmen um Nichts“ hat keins. In der Arbeit der Schauspieler allerdings zeigen sich die besonderen Stärken dieses Regisseurs, im sehr entschiedenen, auch bei höchstem Tempo präzisen Umgang mit dem Text wie auch in der individuellen und doch frei wirkenden Körpersprache aller Figuren und ihren fantasievoll choreographierten, oft sehr lebendigen Begegnungen. Julia Wolff und Marco Wohlwend als Beatrice und Benedict führen mit unaufdringlicher Eleganz ein starkes Ensemble an. Mit zielgenau abgefeuerten Knallchargen erspielen sich Heisam Abbas, Thomas Braus und Hanna Werth die besondere Gunst des Publikums.