Foto: Jo Fabians "Parsifal" am Theater Konstanz. Jonas Pätzold, Markus Schoenen (hi. liegend), Franziska Geyer © Ilja Mess
Text:Elisabeth Maier, am 30. September 2013
Aus dem warmen Schoß seiner Mutter befreit sich Parsifal. Der unwissende, von Zweifeln getriebene Mensch will in die Welt hinaus. Für den Regisseur, Autor, Choreographen und Videokünstler Jo Fabian taugt die mittelalterliche Figur nur bedingt zum Helden. Auf der Suche nach dem heiligen Gral peitscht er den Protagonisten in seiner Uraufführung von „Parsifal“ am Stadttheater Konstanz tief hinein in seelische Abgründe, die er nur bedingt durchschauen darf. Sensibel lässt sich Jonas Pätzold auf die Suche des Heranwachsenden ein, der ein Ritter werden will. Sein melancholischer Kämpfer taucht in wechselnde Gesellschaften ein, und bleibt doch stets ein Fremder. Dieses Ringen um die eigene Identität zeigt der Schauspieler stark.
Regisseur Fabian hat auf der Bühne des Stadttheaters einen Raum geschaffen, der die klaren Strukturen des japanischen Nô-Theaters reflektiert. Schmale Bambusstangen strukturieren die Räume, die der virtuose Berliner Medienkünstler in wechselnde Farben taucht. Grasgrün und eng ist die Welt der Mutter. Blutrot tut sich das kriegerische Reich des Königs Artus und seiner Tafelrunde auf. Vom blauschwarzen Himmel fallen tote Vögel. Fabians Bilderwelten sind grandios komponiert, ohne dabei stilisiert zu wirken.
Vom Plan, Tankred Dorsts politisch pointiertes Fragment „Parzival“ als Grundlage zu nehmen, kam das Regieteam ab. Den Text, der aus Fabians Feder stammt, übersetzen die Schauspieler in sparsame Bewegungsmuster. Vorsichtige, zärtliche Gesten genügen Franziska Geyer als Gralsbotin Cundry, um Parsifal mit der Sprache der Liebe vertraut zu machen. In ein opulentes Leinengewand gehüllt und mit blutigem Kopfverband, transformiert die Schauspielerin Fabians manchmal überbordendes Textmaterial in stimmige Körperbilder.
Das klappt in der Welt der Krieger nicht immer. Axel Julius Fündeling als Ritter Ither, der Parsifal zum Lebenskampf herausfordert, gelingen zwar starke Momente, doch fehlt in seinem Wortschatz der Kämpfe Substanz. Thomas Ecke als souveräner König Artus ist ein weiser Lehrer, doch verkommt seine tätowierte Tafelrunde zur Rockergang. Sehr plakativ auch die Kommentare der Regie aus dem Off. Da bleibt jener Tiefgang auf der Strecke, den Fabian sonst so wunderbar erzeugen kann. Die Lust, mit der sich die Schauspieler auf seine choreographische Reise ins Reich der Mythen einlassen, macht die Regiearbeit zum Erlebnis. Lars Neugebauers Musik spiegelt die Kraft der Gefühle.
Alissa Snagowski, Young-Shin Kim und Eléna Weiss setzen als bleigraue, gekrümmte Furien starke Akzente. Fabians bildbewohntes Körpertheater fordert die Akteure zu Grenzgängen heraus, die jeder auf seine Art bemerkenswert meistert. Herzstück seiner Bühnenlandschaften sind Videosequenzen. Parsifals Reise durch eine Gesellschaft, die er mit bohrenden Zweifeln in Bewegung bringt, führt durch Wälder und Sonnenblumenfelder zurück aufs Wesentliche: Die Konzentration der Schauspieler auf Fragen der nackten Existenz.