Man muss etwas ausholen, um das als Märchen in den Rahmen eines Filmsets gepackte Stück zu verstehen: 1923 ging Bohuslav Martinů für ein Stipendium nach Paris und begann die Zusammenarbeit mit seinem Librettisten Georges Ribemont-Dessaignes, einem dadaistischen Schriftsteller. Beeinflusst durch die Sinnkrise der Moderne entstanden „Die drei Wünsche“ in der zeittypischen Zerrissenheit zwischen Resignation und der Suche nach Lebensglück. So wirft uns das Libretto in ein Wechselbad der Emotionen mit Chören wie „Ach, das Leben ist so schwer!“ oder dem materiellen Glückstaumel über eine „goldene Insel aus Gold“.
Der Plot: ein Theater im Theater
Während bei Martinů Ort des Geschehens ein Filmset ist, wo das Märchen „Die drei Wünsche“ gedreht werden soll, verlegt es Regisseurin Rahel Thiel in eine Theaterprobe, in der ein despotisch-türenknallender Regisseur (Daniel Pastewski) mit Megafon um sich blökt – ein Klischee, mit dem die Theaterwelt nach wie vor ringt… Noch während sich die Darsteller zwischen privaten Verwerfungen in ihre Rollen finden, beginnt die Probe zum Märchen auf offener Bühne. Uns Zuschauern vis-à-vis postiert sich der Chor (Einstudierung: Stefan Bilz), um alles gestisch zu kommentieren – köstliche Szenen.
Im hereingefahrenen Ehebett des Monsieur Juste und seiner lebensmüden Gattin Indolenda eröffnet sich uns die ganze Tragödie einer in die Jahre gekommenen Ehe: Er geht zum Jagen, um wenigsten dort seine Männlichkeit unter Beweis zu stellen; sie bleibt lethargisch im Bett („Weh mir arme Frau!“). Als Monsieur Juste von der Jagd eine kuriose Fee mit nach Hause bringt, die für ihre Freilassung drei Wünsche in Aussicht stellt, scheint aller Frust ein Ende zu finden. Doch auch Reichtum (1), Jugend (2) und Geliebt-Werden (3) führen natürlich nicht zum Ziel.
Die Kostüme: eine Augenweide
Die Bühne von Fabian Wendling und die phantastischen Kostüme von Rebekka Dornhege Reyes bieten eine Ausstattung, wegen der allein man diese Produktion nicht verpassen sollte – und die alle Absurdität auf die Spitze treibt. Knallbunte Anzüge und Hüte, güldene Tücher, dazu eine drehbare Bühnenkonstruktion als Theater im Theater mit goldenen Scheinwerfer-Tableaus. Als Kontrapunkt die schwarzleer offene Bühne mit flanierenden Technikern oder ein Video (Stefan Bischoff), in dem der Schauspieler des Monsieur Juste nach der Probe durch Theatergänge rennt; Realität und Märchenhandlung im Wahn verschwimmen, bis Juste als der gehörnte Gatte weinend am Klavier zusammenbricht.
Das junge Ensemble
Bis dahin erleben wir zwei Stunden herrlichste Komödie voller Liebeswirren, Prügelszenen und enttäuschter Hoffnungen – von einem jungen, überwiegend aus dem Haus besetzten Ensemble: Bariton Thomas Essl gibt Monsieur Juste mit komödiantischem Talent, Maraike Schröter ist seine Gattin Indolenda mit beachtlichem Dynamik-Wechsel ins Pianissimo, Daniel Pataky ist Adolphe und Widersacher von Juste, dazu Paula Meisinger (Adelaide) und die junge, bezaubernde Mezzosopranistin Marlen Bieber als Bettlerin und prügelnde Furie Eblouie. Einnehmend allen voran als androgyne und auratische Fee Null der junge Countertenor Etienne Walch, der zuletzt in Gordan Kampes Uraufführung „Dogville“ am Essener Aalto-Musiktheater auf sich aufmerksam machte und den die Oper Chemnitz seit dieser Spielzeit ins Ensemble verpflichten konnte.
Jakob Brenner leitet die Robert-Schumann-Philharmonie nicht nur mit stilistischem Fingerspitzengefühl, sondern steuert dem Programmheft eine kluge musikhistorische Werkanalyse bei. Erfreulich, wenn sich diese im Aussterben befindliche Publikationsform nicht nur noch auf Fotos und Zitate beschränkt, sondern wie hier Erhellendes zu Werkgeschichte und Dramaturgie (Johannes Frohnsdorf) mitgibt. Man sollte Martinůs „Die drei Wünsche oder die Launen des Lebens” also spielen und hören, den in diesem Wimmelbuch ist noch viel zu entdecken.