Foto: Daniel Minetti, Joachim Henschke und Eva Spott in "Der Gast" am Theater Krefeld Mönchengladbach. © Stutte
Text:Stefan Keim, am 31. März 2011
Gérard ist seit mehreren Jahren arbeitslos. Seitdem schreibt er Bewerbungen, geht zu Einstellungsgesprächen, wird immer wieder abgelehnt. Langsam schwindet die Hoffnung, Gérard ist 52 Jahre alt. Doch da tut sich eine Chance auf. Ein Unternehmen will ihn nicht nur einstellen, sondern sogar eine Abteilung für ihn einrichten. Der Haken: Das entscheidende Abendessen mit einem Oberboss findet nicht im Restaurant, sondern bei Gérard zu Hause statt. Seine Frau Colette kriegt fast einen Anfall. Denn es regnet durchs Dach, die Schienen von Gérards Modelleisenbahn führen durch die ganze Wohnung.
Oberflächlich ist David Pharaos Stück „Der Gast“ eine Kleinbürgerkomödie und Gérard eine Art Al Bundy auf Französisch. Doch hinter dem Witz sitzt pure Verzweiflung. Colette und Gérard sind auf dem Weg an den Rand der Gesellschaft. Das Abendessen ist die letzte Chance, ins bürgerliche Leben zurück zu kehren. Da passt es gut, dass ihr Nachbar Imageberater ist. Er gestaltet in Windeseile die Wohnung um, geht einkaufen und gibt Gérard ein schnelles Coaching in gehobener Lebensart.
Regisseur Ali Samadi Ahadi ist mit Kinofilmen bekannt geworden. Vor allem durch die Dokumentation „The Green Wave“, die von der gewalttätig unterdrückten Protestbewegung im Iran erzählt. Darin überzeugt die ungewöhnliche Ästhetik. Ahadi konnte nicht im Iran drehen, er entwickelte Spielszenen, die von Animationskünstlern nachgezeichnet wurden, so dass sie wirken wie ein Comic. Einen vergleichbaren Kunstgriff gibt es auf der Bühne nicht. Er würde auch nicht zum Stück passen, denn David Pharaos Komödie ist nach den klassischen Regeln des Theaters gebaut, drei Akte, vier Personen, Pointen im Klippklapptempo. Allerdings mit bösem Ende: Gérard bekommt zwar den Job nach vielen absurden Verwicklungen. Aber nur weil er bewiesen hat, dass er bereit ist, jederzeit den Mächtigen in den Hintern zu kriechen und Untergebene zu erniedrigen.
In einem hübsch geschmacklosen Bühnenbild aus Blümchentapeten, Flokatiteppichen und Kitschkrempel inszeniert Ali Samadi Ahadi einen temporeichen Abend. Die Schauspieler überdrehen oft, finden zu wenig Zwischentöne. Aber di e Komödie mit ihren bitteren Untertönen und einer sehr deftigen Alltagssprache kommt an. David Pharao und Ahadi verbinden die Form des klassischen Unterhaltungstheaters mit satirischen, kritischen Inhalten.