Foto: Szene aus dem „Schlauen Füchslein“ am Theater Hagen: Dorothea Brandt als Füchslein Schlaukopf und Kenneth Mattice als Förster. © Klaus Lefebvre
Text:Christoph Zimmermann, am 25. März 2018
Leos Janaceks Märchenoper „Das schlaue Füchslein“ ein einer vielschichtigen Inszenierung von Mascha Pörzgen am Theater Hagen
Die Spielzeitbroschüre des Theaters Hagen für 2017/18 vermerkt bei der Position des Intendanten noch ein „NN“. Im Mai vergangenen Jahres wurde dann aber Francis Hüsers auf diesen Posten berufen, ein vielseitiger Theatermann, unter anderem 2005 bis 2010 leitender Dramaturg und künstlerischer Produktionsleiter an der Berliner Staatsoper, in den folgenden fünf Jahren Operndirektor und Stellvertreter des Intendanten in Hamburg. Mit so viel Erfahrung dürfte er bestens geeignet sein, ein zuletzt stark gefährdetes Theater wie das von Hagen auf Kurs zu halten.
Den Spielplan der laufenden Saison hat Hüsers zwar noch nicht mitkonzipiert, aber er ist typisch für die in der Vergangenheit immer wieder erlebte glückliche Mischung aus beliebten Repertoirewerken (bei der Oper in 2017/18 beispielsweise „Tosca“ und „Der fliegende Holländer“) sowie Raritäten (zuletzt Haydns „Orlando Paladino“). Auch das zeitgenössische Schaffen wird kontinuierlich berücksichtigt, im Mai beispielsweise ,mit der europäischen Erstaufführung von Joby Talbots „Everest“. Leoš Janácek gehört zwar nicht zu den Spielplan-Außenseitern, doch auch nicht unbedingt zu den Publikumsrennern. In Hagen kam das „Schlaue Füchslein“ zuletzt 1973 heraus (dem Hause sei Dank für solche Angaben). Intendant Hüsers begleitete die jetzige Produktion dramaturgisch und moderierte auch die Einführung bei der Premiere.
Der Durchbruch für das „Füchslein“ in Deutschland war fraglos die Inszenierung Walter Felsensteins 1956 an der Komischen Oper Berlin. Aber die auf DVD nacherlebbare Aufführung mit ihrer Realismusakribie hat mittlerweise Patina angesetzt. Eine Eins-zu Eins-Nacherzählung ist alleine schon wegen der von Janácek vorgesehenen Doppelbesetzung bestimmter Rollen (Mensch/Tier-Parallelen) nicht mehr zeitgemäß. Auch sonst wirft die Suche nach einer angemessenen szenischen Realisierung Fragen auf. Sie betreffen etwa die (in Hagen benutzte) Übersetzung von Max Brod, welchem der Komponisten freilich weitestgehend vertraute. Aber wenn der Wilderer Háraschta seine musikalisch beglaubigte Freude „Ich lass mich mit ihr trauen“ (nämlich mit der schönen, allseits begehrten Terynka) durch ein „ich werde sie prügeln“ ersetzt, ist das sinnentstellend.
Über die Vermeidung von ungebrochenem Realismus waren sich in Hagen die Regisseurin Mascha Pörzgen und ihr Ausstatter einig. Christof Cremer hat auf der uneben gestalteten Drehbühne lauter Leitern errichtet. Sie dienen als Baum-„Ersatz“, die Blätterkronen sind kugelige, weiße Lampenschirme. Dieses Bild verbreitet einen ganz eigenen Zauber. Bei den Kostümen sind Farben besonders signifikant (Förster grün, Füchse rot). Auf der Jacke des Schulmeisters sind Applikationen von Mücken zu sehen, der Pfarrer ergänzt sein kreuzbesticktes Gewand mit hellen Schulterüberwürfen, wenn er den Dachs zu spielen hat. Besonders skurrile Outfits bieten der Dackel und die die Hühnerschar.
Läuft die Inszenierung zunächst etwas vage an, bietet sie sehr bald ein erfrischend buntes Treiben, von welchem sich einige in der Premiere anwesende Kinder merklich entzücken ließen. Aber Mascha Pörzgen lässt auch Traurigkeit zu. Wenn Háraschta das Füchslein erschossen hat und in einem Supermarktwagen abkarrt, blickt ihm die zurückgebliebene Familie mit traurig aufgerissenen Augen nach. Und der Förster erfreut sich am Schluss nur wenig an der Wiederkehr allen Seins, hadert vielmehr mit dem Erlebten, Unverarbeitetem. Er setzt sogar den Lauf seiner Flinte an die Stirn. Lebensmüde oder einfach nur müde?
Auch in Hagen beweist Janáceks Musik ihre außerordentliche Emotionalität, dringt „in die Tiefe des Herzens“, mag vielleicht sogar Tränen hervorrufen, wie sie dem verknöchert gewordenen Schulmeister aus den Augen rinnen. Das liegt mit an der exorbitanten Leistung des Philharmonischen Orchesters, die man fast ein kleines Wunder nennen möchte. Unter Joseph Trafton werden die Farben der Partitur sorgfältig und feingestimmt herausgearbeitet, entfalten einen narkotischen Klangsog; es gibt keinerlei spieltechnische Defizite
Zauberhaft die Besetzung des Fuchspaares. Dorothea Brandt bietet einen hellen, melodisch strömenden Sopran, den Jennifer Panara mit ihrem herben Timbre wirkungsvoll kontrastiert. Den leicht knorrigen Bariton des wie immer enorm bühnenpräsenten Kenneth Mattice kann man als durchaus rollenkonform empfinden, Olaf Haye (Háraschta) wirkte am Premierenabend leicht angestrengt. Bei den Nebenfiguren führt Boris Leisenheimer mit seinem bestens typisierten und tenorklar gesungenen Schulmeister. Markante Porträts kommen aber auch von Kristine Larissa Funkhauser (Försterin/Eule), Marilyn Bennett (Dackel/Specht), Veronika Haller (Hahn/Gastwirtin) und Rainer Zaun (Pfarrer/Dachs). Chor und Kinderchor des Theaters sind mit spürbarem Eifer bei der Sache.