Puritanischer Start, pompöses Finale
Doch gerade mit diesen Ambivalenzen schaffen es Rüping und Darsteller:innen vor eindeutig düsterem Hintergrund, einen erfreulichen Abend über die Liebe zu entwickeln. Anne Rietmeijer ist die Fünfte in einem wunderbar eingespielten, kleinen Ensemble. Zunächst tritt sie als vermeintlich den Tod überwindender Dämon auf, gerät dann in einen großen, filmisch auf dem Dach des Schauspielhauses in einer Tortenschlacht fortgeführten, pompösen Kampf gegen die zähe Krähe und wird dann von dieser auf der Bühne theatral überdreht zur blutsprudelnden Gedärmquelle zerfetzt.
Dann tritt sie auf als Geist oder Erinnerung oder Abbild der geliebten Verlorenen; sie beobachtet nach dem Abtritt der Krähe, wie die drei Verbliebenen schwarze Asche oder Federn per Windmaschine in den Bühnenhimmel befördern und tritt schließlich hinzu. „Ich liebe dich“-Rufe und Mozarts „Requiem“ verbinden sich zu einem grandiosen Finale, in dem die Bühnenschweinwerfer tanzen, ohne selbst zu leuchten.
Trauer und Liebe
„Trauer ist das Ding mit Federn“ (Grief is the thing with feathers) ist ein Liebesroman. Auch Streit in der Ehe wird da als Teil eines intimen, vertrauensvollen Miteinanders beschrieben. Im Zentrum des Textes – der die Erzählung auf „Dad“, „Jungs“ und „Krähe“ verteilt und doch vielleicht mehr Gedicht als Drama ist – wird die Beziehung zur verblichenen Ehefrau und Mutter jedoch nicht rekonstruiert, vielmehr geht es um den Umgang mit dem großen Verlust. Den moderiert die Krähe, etwa wenn sie die Kinder animiert, typische Gesten der Mutter nachzuspielen und dabei ihre Erstarrung zu überwinden. Damit ist die Inszenierung bei aller Bitternis und strengen Traurigkeit ein fröhliches Unterfangen.
Jing Xiang, Risto Kübar und Alexander Wertmann im Finale. Foto: Jörg Brüggemann/Ostkreuz
Das zentrale Anliegen des Romans und der Inszenierung, die ihm eng folgt und doch alles andere als eine Nacherzählung darstellt, ist der romantische Glaube an die Kraft der Liebe. Außergewöhnlich in dem starken Ensemble ist das Spiel der „Kinder“. Jing Xiang und Alexander Wertmann machen sich nie kleiner oder dümmer als sie sind; und doch zeigen sich liebenswerte kindliche Figuren, die überfordert und erstaunt sind, ungefiltert bockig und begeisterungsfähig. So wachsen sie am Ende schnell zu jungen Erwachsenen, ohne sich wirklich wandeln zu müssen. Ihr Spiel ist ein besonders großes Glück in diesem klugen und berührenden romantischen Trauerspiel.