Foto: Eine Szene aus Jan Mixsas Version von "Was ihr wollt" in Chemnitz. © Dieter Wuschanski
Text:Michael Chlebusch, am 14. November 2012
Puppenspieler Jan Mixsa kam viel herum: Spiel, Wort und Gesang auf Theaterbühnen und im Fernsehen. Als Regiegast kehrte er nun in das Chemnitzer Theater zurück, in dem er Ende der 90er als Ensemblemitglied beschäftigt war. Es sollte trashig werden, soviel war bereits im Vorfeld zur Premiere von „Was ihr wollt“ im Figurentheater bekannt. Es wurde trashig, im Wortsinn und im übertragenen. Jan Mixsas Inszenierung für Erwachsene brachte neben den drei Spielern jede Menge kreativ geformtes Gerümpel auf die Bühne und verfrachtet all das in eine clevere Rahmenhandlung. „Was wollt ihr?“, „Was ihr wollt!“, so die Antwort der Gestrandeten, die seit sieben Jahren auf einer einsamen Insel leben und dort täglich Shakespeares Verwechslungskomödie aufführen, „um nicht zu verblöden“, so die Begründung – wobei natürlich gemutmaßt werden darf, ob solche Prävention nicht Ausdruck für das bereits erfolgte Eintreten der Tatsache ist. Damit schafft sich der Regisseur einen passenden Rahmen, um mit dem Text aus jenem herausfallen zu können.
Das Setting ist stimmig. Aus dem Schrott des Wracks bauten die Schiffbrüchigen kein Floß, sondern die Figuren zum Spiel. Sie bestehen Hauptsächlich aus Blech, aus Eimern, Schüsseln, Kannen und Töpfen. Deren starre Mimik wird von drei spielgelaunten Akteuren wettgemacht: Michael Schmidt, Claudia Friedemann, Gerlinde Tschersich. Die Handlung des Stücks im Stück dreht sich um das Geschwisterpaar Viola und Sebastian, das – ebenfalls Opfer eines Schiffbruchs – getrennt und am Strand von Illyrien angespült wird. Dort tritt Viola als Mann verkleidet in den Dienst des Herzogs. Der ist verliebt in Olivia, die ist in Trauer und abweisend, verliebt sich aber in den Boten Viola, die wiederum in Herzog Orsino verliebt ist. Währenddessen entspinnt sich eine Nebenhandlung um Olivias Hofmeister Malvolio, der Olivia liebt und unter anderem von deren Onkel genarrt und für verrückt erklärt wird. Das gibt reichlich Stoff für Verwirrung. So reichlich, dass es Mixsa fast für ein Stück von drei Stunden Länge reicht. Und das trotz Streichungen, wie etwa die des kompletten Textes der Olivia. Die steht als stumme Büste aus zwei Bauhelmen und einem zerschnittenen Puppengesicht auf einem Podest und führt damit die ganze Anbetung um sie herum ad absurdum.
Das macht Mixsa auch stellenweise mit dem Heiligtum Shakespeare, indem er immer wieder aus dem Text ausbricht und seine Charaktere sich über die furchtbare Wieland-Übersetzung beklagen, oder diskutieren, welches Narrenkostüm wohl am besten in die Aufführung passt. Der Narr – charmant kaltschnäuzig Gerlinde Tschersich – trägt überdies eine weitere Metaebene über beide Erzählwelten hinweg. Teils erhellend, teils erheiternd oder auch verstörend, wenn er den Körper des Olivien-Gesichtes stets unter dem Rock verborgen trägt und zuweilen gruselig umhergehen lässt. Solche Momente lassen den Zuschauer spüren, dass unter all dem Blech und der Heiterkeit eine tiefere Ebene schlummert. Denn an Inszenierungsideen und originellen Einfällen mangelt es dem Stück nicht. Auch der Witz weiß neben einigen zu flachen Wortspielereien – Shakespeare hätte seine Freude daran gehabt – durchaus Glanzpunkte zu setzen. Nur in einigen Sprüngen und den sich überschlagenden Ereignissen im Finale bleibt der Zuschauer etwas verloren zurück. So steht am Ende des Abends ein tumber Sebastian neben der stummen Olivia und ein Apfel rollt aus dem Off. Eine in ihrer Absurdität spannende Pointe, doch um den ausbleibenden Abschluss der Rahmenhandlung ist es schade.